Nur eine Minderheit der deutschen Unternehmenschefs rechnet mit einer baldigen Stabilisierung der politischen und wirtschaftlichen Lage. Laut einer im August 2025 veröffentlichten CEO-Umfrage der Strategieberatung EY-Parthenon erwarten nur 37 Prozent der befragten deutschen CEOs eine Beruhigung innerhalb der kommenden zwölf Monate. Deutlich pessimistischer sind in dieser Hinsicht nur japanische Unternehmenschefs. In den USA dagegen hoffen 85 Prozent auf eine kurzfristige Entspannung.
Auch der Blick auf den längerfristigen Zeitraum fällt in Deutschland trüb aus: Jeder dritte CEO geht von einer Unsicherheitsphase von mindestens drei Jahren aus. Damit liegt Deutschland über dem weltweiten Durchschnitt (24 Prozent) – ein weiteres Indiz für die wachsenden geopolitischen und handelspolitischen Herausforderungen.
Zölle und Unsicherheiten belasten Unternehmensstrategien
Wesentliche Treiber dieser Entwicklung sind neue Zollregelungen und wachsende Handelsbarrieren. Weltweit erwarten 77 Prozent der befragten CEOs, dass höhere Zölle die finanzielle Leistung ihres Unternehmens stark beeinträchtigen werden – in Deutschland sind es 76 Prozent. Besonders stark betroffen fühlen sich US-Konzerne (92 Prozent), während chinesische Unternehmen etwas weniger häufig von negativen Auswirkungen ausgehen (68 Prozent).
Als Reaktion setzen viele Unternehmen auf eine Lokalisierung ihrer Produktions- und Vertriebsaktivitäten. Weltweit geben 74 Prozent der CEOs an, künftig stärker im jeweiligen Absatzmarkt investieren zu wollen. In Deutschland liegt der Anteil auf gleichem Niveau. Besonders ausgeprägt ist der Trend in Japan (97 Prozent), während in China nur rund ein Drittel der Unternehmen auf lokale Investitionen setzt.
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Investitionen wandern zunehmend ins Ausland
Für deutsche Konzerne hat dieser Strategiewechsel weitreichende Konsequenzen. Der Standort Deutschland, lange Zeit Profiteur der globalen Arbeitsteilung, gerät zunehmend unter Druck. Immer mehr Länder fordern lokale Produktion, was das bisherige Exportmodell schwächt. Investitionen verlagern sich zunehmend ins Ausland – deutsche Unternehmen profitieren damit weniger vom globalen Wachstum.
„Nationalistische Wirtschaftspolitik ist global auf dem Vormarsch – Zölle werden zum Instrument politischer Auseinandersetzung“, warnt Sandra Krusch, Managing Partner von EY-Parthenon in Deutschland. Eine Rückkehr zu einer regelbasierten Weltwirtschaft mit freien Märkten sei derzeit nicht in Sicht. Für Unternehmen bedeute das: Lokalisierung wird zur neuen Normalität.
Innovationskraft schlägt Kostenfaktoren
Bei der Auswahl von Investitionszielen spielen für Unternehmen nicht mehr primär Kostenfaktoren eine Rolle. Vielmehr nennen die befragten CEOs Innovationsfähigkeit und gute Infrastruktur als zentrale Standortvorteile. In Deutschland nennen 63 Prozent Innovationsstärke als wichtigsten Investitionsfaktor, gefolgt von Energiekosten (55 Prozent) und Arbeitskosten (54 Prozent).
Die USA sind dabei mit Abstand das wichtigste Ziel für internationale Investitionen: 82 Prozent der weltweit befragten CEOs sehen die Vereinigten Staaten unter ihren Top-5-Standorten. Deutschland liegt mit 21 Prozent auf Platz fünf – hinter Kanada, Großbritannien und Indien.
Kooperationen statt Übernahmen
Obwohl viele Unternehmen ihre Präsenz vor Ort durch Investitionen stärken wollen, nimmt die Bereitschaft für Unternehmensübernahmen (M&A) ab. Nur noch 49 Prozent der weltweit befragten CEOs planen eine Fusion oder Übernahme – in Deutschland sind es sogar nur 44 Prozent. Dafür gewinnen Joint Ventures und strategische Partnerschaften an Bedeutung: Zwei Drittel der deutschen Unternehmen verfolgen entsprechende Modelle aktiv.
Laut Krusch ist der M&A-Markt derzeit gebremst – nicht zuletzt wegen regulatorischer Unsicherheiten, geopolitischer Risiken und unrealistischer Preisvorstellungen potenzieller Verkäufer. Langfristig erwartet sie jedoch wieder mehr Transaktionen: „Der Transformationsdruck bleibt hoch, und Kooperationen sind ein Weg, um auf neue Marktbedingungen flexibel zu reagieren.“


