Der deutsche Lebensmitteleinzelhandel (LEH) befindet sich in einem umfassenden Strukturwandel. Klassische Einkaufsgewohnheiten weichen situativen Entscheidungen, während digitale Schnittstellen an Bedeutung gewinnen. Vor allem das Einkaufsverhalten junger Konsumentengruppen zeigt laut einer neuen Studie von Batten & Company: Wer künftig erfolgreich sein will, muss digitale Kanäle beherrschen und Convenience über den Preis hinaus neu denken.
Der große Wocheneinkauf stirbt aus
Insbesondere die Generation Z und die Millennials verabschieden sich vom traditionellen Wocheneinkauf. Stattdessen dominieren spontane Einkäufe, „Top-up“-Besorgungen und situative Konsumentscheidungen. Der Supermarkt wird zum ständig verfügbaren Vorratsraum – leicht erreichbar und digital begleitet. Das verändert die Anforderungen an Sortiment, Kommunikation und Customer Journey grundlegend.
Gewinnen in der Plattform-Ökonomie
Gewinner und Verlierer im neuen LEH
REWE gelingt es, durch eine Kombination aus digitaler Kompetenz, einfacher Orientierung und Markenstärke besonders bei der Generation Z zu punkten. Der Supermarkt wird hier als Ort des täglichen Mikrokomforts wahrgenommen. Edeka hingegen verliert bei den Jüngeren an Relevanz, da digitale Services und Innovationskraft zu wenig ausgeprägt sind. Die Baby Boomer schätzen zwar die Regionalität und das hochwertige Sortiment – doch bei der jungen Zielgruppe reicht das nicht mehr aus.
Lidl positioniert sich erfolgreich als moderner Discounter: Eine funktionale App, Self-Checkout und digitale Services überzeugen vor allem die Generation Y. Aldi dagegen verliert an digitaler Anschlussfähigkeit. Trotz hoher stationärer Reichweite fehlen funktionale App-Features und moderne Nutzerführung – was die jüngere Kundschaft abschreckt.
Die App als Schlüsselkanal der Zukunft
Digitale Angebote ersetzen zunehmend den gedruckten Handzettel. Während dieser bei Gen X und Baby Boomern noch führend ist, nutzen jüngere Generationen vor allem Apps, um sich über Angebote zu informieren. 76 % der Gen Z und über 70 % der Millennials greifen regelmäßig auf Supermarkt-Apps zurück. Damit wird die App zum zentralen Touchpoint für Informationen, Aktionen und Kundenbindung.
Was Apps leisten müssen – und warum viele scheitern
Entscheidend ist nicht nur die Existenz einer App, sondern deren Qualität. Kundinnen und Kunden erwarten konkrete Vorteile: Coupons, Rabatte und Treueprogramme gehören zu den meistgenutzten Funktionen. Einkaufslisten oder Bezahlsysteme spielen eine untergeordnete Rolle. Während Lidl und REWE in der App-Nutzung führend sind, schneidet Aldi deutlich schlechter ab – wegen technischer Schwächen und mangelndem Mehrwert.
Externe Programme als Übergangslösung?
Programme wie Payback oder DeutschlandCard bieten schnellen Zugang zu Nutzergruppen, stehen aber einer nachhaltigen Markenbindung im Weg. Datenhoheit, Kundenbeziehung und Markensteuerung bleiben bei externen Anbietern begrenzt. Wer langfristig erfolgreich sein will, sollte auf eine eigene, funktional starke App setzen.
Drei strategische Empfehlungen für Händler
1. Konsumentenverhalten differenziert verstehen: Altersgruppen haben unterschiedliche Bedürfnisse – erfolgreiche Händler bieten keine Standards, sondern abgestimmte Lösungen entlang der gesamten Customer Journey.
2. Digitale Infrastruktur als Plattform denken: Die eigene App muss zentrale Steuerungsfunktion übernehmen – nicht als Add-on, sondern als strategisches Herzstück.
3. Convenience neu definieren: Zeitersparnis, Orientierung und digitale Services zählen mehr als reine Preisvorteile. Convenience wird zur wichtigsten Währung im Wettbewerb.
Der deutsche LEH steht vor einer tiefgreifenden Transformation. Wer die Unterschiede in den Nutzungsmustern versteht und entsprechend agiert, hat beste Chancen, sich zukunftssicher zu positionieren.



