Die Vorab-Berichterstattung hat sich bestätigt: Die Europäische Union plant eine weitreichende Änderung im Zollrecht. Bereits ab 2026 sollen Einfuhren von Kleinsendungen unter 150 Euro aus Drittstaaten nicht mehr von Zöllen befreit sein. Darauf haben sich die EU-Finanzminister geeinigt, wie heute ein Sprecher der Kommission mitteilte. Die Maßnahme richtet sich vor allem gegen die Flut an Billigimporten aus China – namentlich gegen Online-Plattformen wie Temu und Shein, die bislang von der Befreiung profitierten.
Zollreform früher als geplant
Ursprünglich war noch im Sommer vorgesehen, die sogenannte Zollfreigrenze erst im Jahr 2028 abzuschaffen. Doch der wachsende Druck europäischer Einzelhändler und Branchenverbände hat zu einem Umdenken geführt. Mit Milliarden von Paketen, die jährlich aus Asien in die EU gelangen, sei der Wettbewerb erheblich verzerrt worden, so die Kritik. Unternehmen aus Drittstaaten konnten ihre Waren bislang ohne Zollabgaben versenden – ein Vorteil, den europäische Händler als unfair empfinden.
Gewinnen in der Plattform-Ökonomie
Handelsverbände begrüßen, fordern aber mehr
Der Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland e. V. (bevh) sieht in der Abschaffung der Zollfreigrenze einen richtigen Schritt, jedoch keinen ausreichenden. Alien Mulyk, Geschäftsführerin Public Affairs Europa & International beim bevh, fordert eine umfassende Digitalisierung und bessere Ausstattung der Zollbehörden, um die Maßnahme auch effektiv umzusetzen. Sie verweist auf die bereits heute bestehenden Herausforderungen bei der Kontrolle der wachsenden Paketmengen.
Auch der Handelsverband Deutschland (HDE) unterstützt das Vorgehen. Hauptgeschäftsführer Stefan Genth betonte gestern im Rahmen des Handelskongresses, dass der Wettbewerb mit Plattformen aus Fernost den stationären Einzelhandel massiv unter Druck setze. Frankreich sei mit der verstärkten Kontrolle von Shein-Sendungen bereits vorangegangen – Deutschland müsse folgen. Genth fordert konsequente Maßnahmen gegen systematische Rechtsverstöße, darunter Steuerhinterziehung und Nichteinhaltung von EU-Standards bei Produktsicherheit und Nachhaltigkeit.
Politischer Druck nimmt zu
Die politische Dynamik hin zu einer strengeren Regulierung wird nicht zuletzt durch die öffentliche Debatte über Marktverzerrungen und Verbraucherschutz getrieben. Besonders kleine und mittlere Einzelhändler, die sich an europäische Standards halten müssen, sehen sich benachteiligt. Laut HDE ließen sich durch die Aufhebung der Zollfreigrenze viele Tricksereien – wie falsch deklarierte Pakete – unterbinden.
Für eine tatsächliche Wirksamkeit fordern Branchenvertreter aber mehr als neue Regeln: Es braucht funktionierende Kontrollmechanismen. Der EU-Ministerratsbeschluss ist daher nicht nur Symbolpolitik, sondern Auftakt zu einem tiefgreifenden Umbau der Importkontrolle – mit potenziell weitreichenden Folgen für den grenzüberschreitenden Onlinehandel.


