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KI im Handel: Realistisches Potenzial oder übertriebene Erwartungen?

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Mehrere Symbolik zu künstlicher Intelligenz (KI)
Foto: Tung Nguyen / Pixabay

Zusammenfassung

Kommentar: Eine neue Studie zeigt, dass der Einsatz von generativer KI im Einzelhandel zu einem jährlichen Produktivitätswachstum von 1,3 % führen könnte. Für viele Einzelhändler bleibt KI dennoch vorerst ein Hoffnungsschimmer, der in weiter Ferne liegt.

Die kürzlich veröffentlichte Studie „Der digitale Faktor“ von IW Consult im Auftrag von Google stellt Künstliche Intelligenz (KI) als potenziellen Heilsbringer für den deutschen Einzelhandel dar. Insbesondere generative KI könnte demnach in den nächsten zehn Jahren die Produktivität im Einzelhandel um bis zu 1,3 % jährlich steigern und somit Milliarden an Euro „generieren“. Die Aussicht auf ein solches Produktivitätswachstum ist zweifellos verlockend, doch bei genauer Betrachtung stellt sich die Frage: Ist diese Prognose realistisch, oder handelt es sich eher um einen Hoffnungsschimmer in einer Branche, die tief in der Krise steckt?

Die aktuelle Lage des Einzelhandels

Bevor man sich in den Zahlen der Studie verliert, lohnt ein Blick auf die Realität im deutschen Einzelhandel. Die Branche ist seit Jahren im Umbruch: Digitalisierung, steigende Kosten, verändertes Konsumverhalten und die wachsende Dominanz des E-Commerce setzen insbesondere den stationären Handel massiv unter Druck. Viele Innenstädte kämpfen mit Leerständen, und zahlreiche Traditionsunternehmen sind bereits insolvent oder stehen kurz davor.

Hinzu kommt eine wirtschaftliche Gesamtentwicklung, die alles andere als rosig ist. Inflation und hohe Energiepreise belasten nicht nur die Verbraucher, sondern auch die Unternehmen. Die Kaufzurückhaltung ist in vielen Segmenten deutlich spürbar. Der Einzelhandel steckt in einer tiefen Krise, und es fehlt an kurzfristigen Lösungen, die den akuten Herausforderungen begegnen. Kann KI in diesem Kontext wirklich die Rolle eines „Retters“ übernehmen?

Das KI-Potenzial: Hoffnungsträger oder Wunschdenken?

Die von der Studie in Aussicht gestellte Steigerung der Produktivität um 1,3 % jährlich mag auf den ersten Blick beeindruckend wirken. Doch bereits die Annahmen, auf denen diese Berechnungen basieren, sind fragwürdig. Die Studie geht davon aus, dass mindestens 50 % der Einzelhandelsunternehmen in den nächsten zehn Jahren KI produktiv nutzen werden. Angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Lage und der technologischen Infrastruktur vieler Einzelhändler erscheint dies äußerst optimistisch, wenn man mal von „No-Brainern“ wie Textgenerierung über ChatGPT und ähnliches absieht.

Gerade der stationäre Handel – der immer noch den Großteil des Umsatzes in der Branche erwirtschaftet – kämpft mit gravierenden Problemen bei der Implementierung digitaler Lösungen. Fehlende Kompetenzen, hohe Kosten und Unsicherheiten hinsichtlich der rechtlichen Rahmenbedingungen bremsen die Einführung von KI. Laut der Studie geben 43 % der Führungskräfte im stationären Handel an, dass sie nicht wissen, wo sie mit dem Einsatz von KI beginnen sollen. Diese Unsicherheit zeigt, dass die vermeintlich klaren Potenziale von KI für viele Händler noch abstrakt und weit entfernt sind.

Generative KI: Ein echter Produktivitätstreiber?

Generative KI – die Technologie hinter Anwendungen wie Chatbots, automatisierten Content-Erstellungen und intelligenten Analysen – bietet sicherlich interessante Möglichkeiten. Doch kann sie tatsächlich zu einem signifikanten Produktivitätswachstum führen? Der Einzelhandel ist in vielen Bereichen nach wie vor stark auf menschliche Interaktionen angewiesen, sei es im Kundenservice, bei der Beratung oder im Verkauf. Selbst wenn KI repetitive Aufgaben wie Inventuren, einfache Kundenanfragen und die Analyse von Verkaufsdaten übernehmen kann, bleibt fraglich, ob dies tatsächlich zu einer tiefgreifenden Verbesserung der gesamten Produktivität führt.

Zudem geht die Studie davon aus, dass die Unternehmen, die durch den Einsatz von KI Zeit und Ressourcen sparen, diese effizient für neue Tätigkeitsfelder nutzen werden. Doch die Realität sieht oft anders aus: Sparmaßnahmen und Personalkürzungen stehen in vielen Unternehmen an der Tagesordnung. Es ist daher nicht sicher, dass die durch KI eingesparte Zeit tatsächlich in innovative Projekte investiert wird. Vielmehr besteht die Gefahr, dass Unternehmen eher auf kurzfristige Kostensenkungen setzen, anstatt langfristig in Innovationen zu investieren.

Hürden und Grenzen der Technologie

Ein weiteres Problem, das in der Studie zwar erwähnt, aber nicht ausreichend gewichtet wird, sind die hohen Einstiegshürden für den Einsatz von KI. Die Implementierung solcher Technologien erfordert nicht nur finanzielle Ressourcen, sondern auch eine gut ausgebaute IT-Infrastruktur und entsprechende Fachkenntnisse in den Unternehmen. Hier fehlt es vielen Einzelhändlern an den notwendigen Grundlagen.

Die Tatsache, dass 34 % der befragten Führungskräfte keinen klaren Mehrwert im Einsatz von KI sehen, ist ein deutliches Warnsignal. Es zeigt, dass viele Unternehmen derzeit nicht wissen, wie sie die Technologie sinnvoll einsetzen können. Ohne konkrete Anwendungsfälle und klare Erfolgsgeschichten wird es schwierig, die breite Masse der Einzelhändler von den Vorteilen der KI zu überzeugen.

Hinzu kommen Sicherheits- und Rechtsbedenken, die bei der Nutzung von KI eine wichtige Rolle spielen. Viele Unternehmen haben verständlicherweise Vorbehalte, wenn es um die Automatisierung von Prozessen geht, die bisher in menschlicher Hand lagen. Fragen zu Haftung, Datenschutz und der Zuverlässigkeit von KI-Systemen sind weiterhin ungeklärt und stellen eine zusätzliche Hürde dar.

Erfolgsgeschichten: Ein Einzelfall?

Die Studie führt Beispiele wie Baur und Bonprix an, die durch den Einsatz von Google AI beeindruckende Erfolge erzielt haben. Diese Unternehmen konnten ihren Umsatz steigern, die Kosten senken und neue Kundengruppen gezielter ansprechen. Doch diese Erfolgsgeschichten dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich hierbei um große Akteure handelt, die über die nötigen Ressourcen und das Know-how verfügen, um solche Technologien gewinnbringend einzusetzen.

Für kleinere und mittelständische Einzelhändler sind die Voraussetzungen häufig ganz andere. Sie haben oft nicht die finanziellen Mittel, um in teure KI-Lösungen zu investieren, und verfügen auch nicht über das Personal, um diese Technologien zu implementieren und zu nutzen. Einzelne „Erfolgsstorys“ sind daher kaum auf die gesamte Branche übertragbar.

Der Realität ins Auge sehen

Auch wenn die Studie zweifelsohne Potenziale aufzeigt, bleibt die Realität im Einzelhandel – zumindest derzeit – eine andere. Die derzeitige Krise wird nicht allein durch den Einsatz von KI gelöst werden können. Es ist illusorisch zu glauben, dass eine Technologie, die noch in den Kinderschuhen steckt, kurzfristig die tiefgreifenden Probleme des Einzelhandels beseitigen kann. KI mag in einzelnen Bereichen Verbesserungen bringen, aber sie wird nicht die strukturellen Herausforderungen des stationären Handels beheben.

Statt blind auf technologische Lösungen zu setzen, sollten Unternehmen daher verstärkt in ihre Mitarbeiter und in die Weiterentwicklung ihrer Geschäftsmodelle investieren. Langfristiger Erfolg im Einzelhandel wird nur dann möglich sein, wenn es gelingt, eine gesunde Balance zwischen technologischen Innovationen und menschlicher Kompetenz zu schaffen.

Fazit: Ein Hoffnungsschimmer, aber keine Rettung

Die Studie „Der digitale Faktor“ gibt dem Einzelhandel eine positive Perspektive, indem sie auf das Potenzial von KI verweist. Doch die in Aussicht gestellten Produktivitätsgewinne von 1,3 % pro Jahr scheinen in der aktuellen Situation eher ein Wunschdenken als eine realistische Prognose zu sein. Der Handel ist zu stark in der Krise, als dass eine einzelne Technologie die Branche retten könnte.

KI kann sicherlich in bestimmten Bereichen Mehrwerte schaffen, doch die Hürden bei der Implementierung, die Unsicherheit vieler Unternehmen und die strukturellen Probleme des Einzelhandels werden die Einführung und Nutzung dieser Technologie verlangsamen. Für viele Einzelhändler bleibt KI daher vorerst ein Hoffnungsschimmer, der in weiter Ferne liegt – weit entfernt davon, die akuten Probleme der Branche zu lösen.

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