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HDE: Tarifverträge beeinflussen über zwei Drittel der Beschäftigten

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Mann und Frau beim Mode-Einkaufen
Foto: Sam Lion / Pexels

Zusammenfassung

Obwohl nur 23 Prozent der Einzelhandelsbeschäftigten formell an Tarifverträge gebunden sind, beeinflussen die Vereinbarungen mehr als zwei Drittel der Arbeitnehmer. Der HDE sieht die Ursache für die sinkende Tarifbindung in gesetzlicher Regulierung und fordert mehr Flexibilität in Tarifverträgen.
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Die Tarifverträge im Einzelhandel haben laut dem Handelsverband Deutschland (HDE) eine bedeutende Wirkung, selbst wenn formal nur ein geringer Anteil der Beschäftigten tarifgebunden ist. Viele Handelsunternehmen, die nicht offiziell an Tarifverträge gebunden sind, orientieren sich dennoch an den Branchenstandards. Dies führt dazu, dass die Tarifverträge de facto für mehr als zwei Drittel der Beschäftigten im Einzelhandel gelten.

HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth betont die Relevanz der Tarifverträge als Richtschnur für die Branche. Trotz einer offiziellen Tarifbindung von nur 23 Prozent im letzten Jahr, spielen die Verträge eine wesentlich größere Rolle. Die zurückgehende Tarifbindung in vielen Branchen führt Genth auf den begrenzten Gestaltungsspielraum für Tarifparteien zurück, verursacht durch zunehmende gesetzliche Regulierung. Besonders die Mindestlohnerhöhung auf zwölf Euro im Jahr 2022, die ohne die Mindestlohnkommission beschlossen wurde, habe das Vertrauen in Tarifverträge erschüttert. Genth fordert, dass sich die Politik künftig aus der Mindestlohnfestsetzung heraushalten solle.

Der HDE setzt sich für mehr Flexibilität in Tarifverträgen ein, um die formelle Tarifbindung attraktiver zu gestalten. Zusätzliche Öffnungsklauseln in bestehenden Gesetzen könnten die Passgenauigkeit und damit die Attraktivität von Tarifverträgen erhöhen. Die Digitalisierung und der Einsatz künstlicher Intelligenz verändern die Rahmenbedingungen in Unternehmen, sodass ein „One-Size-Fits-All“-Ansatz oft nicht mehr geeignet sei.

Eine modulare Tarifbindung könnte eine Lösung sein. Nicht tarifgebundene Arbeitgeber könnten sich für einzelne Module eines Tarifwerks entscheiden, wie zum Beispiel das Entgelt. Genth verweist auf die guten Verdienstmöglichkeiten im Einzelhandel: Der durchschnittliche Bruttostundenverdienst einer Vollzeitkraft lag 2023 bei 21,25 Euro. Experten im Einzelhandel konnten sogar durchschnittlich 34,38 Euro pro Stunde verdienen.

Der Verband lehnt jedoch eine Lockerung der gesetzlichen Voraussetzungen für die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen (AVE) strikt ab. Eine solche Maßnahme stelle einen erheblichen Eingriff in die Tarifautonomie dar und schränke die im Grundgesetz garantierte negative Koalitionsfreiheit ein.

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