Breuninger, eines der renommiertesten deutschen Modehäuser und mittlerweile unbestrittener Omnichannel Best-Practice in Deutschland, blickt auf eine bewegte Eigentümergeschichte zurück, die seit der Gründung durch Eduard Breuninger 1881 eng mit der Familie des Gründers verbunden ist. Ein detaillierter Blick auf die Unternehmens- und Eigentümerhistorie darf im Kontext aktueller Verkaufsgerüchte als einer der spannendsten Kapitel im deutschen Einzelhandel betrachtet werden.
Eduard Breuninger: Vordenker mit unternehmerischem Weitblick
Die Geschichte der Breuninger Kaufhauskette beginnt im Jahr 1881, als Eduard Breuninger in Stuttgart ein kleines Geschäft für Textilien eröffnete. Eduard Breuninger, geboren 1854, hatte eine klare Vision: Er wollte den Kunden hochwertige Mode und exzellenten Service bieten, was zu jener Zeit keineswegs selbstverständlich war. Sein unternehmerischer Weitblick und das Gespür für den Markt führten rasch zum Erfolg. Bereits 1883 konnte er seinen ersten größeren Standort am Stuttgarter Marktplatz eröffnen, das bis heute das Stammhaus von Breuninger ist. Durch kontinuierliche Expansion und Innovation wurde das Unternehmen bald zu einer festen Größe im Stuttgarter Einzelhandel.
Eduard Breuningers Geschäft florierte nicht nur, weil er auf erstklassige Waren setzte, sondern auch, weil er den Grundstein für moderne Verkaufsstrategien legte. So führte er als einer der Ersten in Deutschland ein Rückgaberecht für unzufriedene Kunden ein und engagierte sich für eine intensive Kundenbindung. Seine Philosophie, die Bedürfnisse der Kunden stets in den Mittelpunkt zu stellen, wurde über Generationen weitergetragen und prägte das Unternehmen nachhaltig. Nach dem Tod von Eduard Breuninger 1932 übernahm seine Familie die Geschäfte, wobei insbesondere sein Enkel Heinz Breuninger eine prägende Rolle spielte.
Übernahme durch Heinz Breuninger: Eine neue Ära beginnt
Heinz Breuninger, Enkel von Eduard Breuninger, geboren 1920, trat 1947 in das Unternehmen ein und übernahm schließlich 1954 die Geschäftsführung. Unter seiner Führung wuchs Breuninger zu einem der bekanntesten Kaufhäuser Deutschlands heran. Er setzte die Expansion der Filialen fort und führte zahlreiche Modernisierungen durch. Die älteste Kundenkarte Deutschlands sowie die ersten Rolltreppen in Kaufhäusern, abgeschaut bei den „Department Stores“ auf USA-Reisen, gingen auf das Konto des Breuninger-Erben. In den 1960er Jahren wagte Heinz Breuninger einen bis heute entscheidenden Schritt, als er die Kaufhauskette zu einem Luxuswarenhaus umgestaltete, das sich auf hochwertige Marken und exklusive Mode spezialisierte.
Der Gründer-Enkel schuf zudem die Breuninger Stiftung, die sich gemeinnützigen Zwecken widmete und das soziale Engagement des Unternehmens förderte. Die Stiftung sollte später eine entscheidende Rolle zu den aktuellen Eigentümerverhältnissen spielen.
Exkurs: Helga Breuninger und die Breuninger Stiftung
Die Breuninger Stiftung wurde 1968 von Heinz Breuninger und seiner Tochter Helga Breuninger gegründet. Die Stiftung war von Anfang an geprägt von der Überzeugung, dass bürgerschaftliches Engagement eine zentrale Rolle bei der Lösung gesellschaftlicher Probleme spielt. Heinz Breuninger, der 1980 verstarb, übergab die Leitung der Stiftung an seine Tochter Helga, die fortan deren Geschicke lenkte. Sie setzte sich insbesondere für Projekte zur Förderung von Bildung und bürgerlicher Teilhabe ein. Unter ihrer Leitung wurde die Stiftung zu einem Vorreiter im Bereich der Zivilgesellschaftsförderung, vor allem durch die Unterstützung von Bürgerstiftungen wie der Stuttgarter Bürgerstiftung, die sie seit 2006 weiterentwickelte.
Neben der Breuninger Stiftung gründete Helga Breuninger 1980 auch die bis heute bestehende Helga Breuninger Stiftung, die sich vor allem der Bildung und der Forschung widmet. Sie entwickelte das Konzept der Integrativen Lerntherapie und setzte es in zahlreichen Projekten um, die darauf abzielt, klassische Bildungshierarchien zu überwinden und ein partnerschaftliches Lernen zu fördern. Ihre Arbeit in diesem Bereich wurde mit zahlreichen Auszeichnungen gewürdigt, darunter das Bundesverdienstkreuz und der Verdienstorden des Landes Baden-Württemberg.
Willem van Agtmael wird Breuninger CEO
Heinz Breuninger, Enkel des Unternehmensgründers Eduard Breuninger, verstarb 1980 unerwartet im Alter von 60 Jahren. Sein Tod markierte eine entscheidende Zäsur in der Unternehmensgeschichte, da er keine männlichen Nachkommen hinterließ. Aus diesem Grund übertrug er die Leitung des Unternehmens an Willem van Agtmael, einen engen Vertrauten und Schwiegersohn der Familie, der bereits seit Jahren in die Unternehmensführung eingebunden war und als Nachfolger aufgebaut wurde.
Van Agtmael führte das Unternehmen als erster „Breuninger CEO“, der nicht den Namen Breuninger trägt. Van Agtmael wurde später einer der Mehrheitseigentümer, nachdem die Breuninger Stiftung aufgelöst und die Anteile an van Agtmael sowie Wienand Meilicke, einem Düsseldorfer Anwalt und engen Berater, übergingen.
Willem van Agtamel war bis 2012 Kopf der damals dreiköpfigen Unternehmensleitung. Danach wurde die Unternehmensleitung auf fünf Mitglieder erweitert und dessen Leitung an Willy Oergel, jahrelanger Vertrauter van Agtmaels und damaliger COO von Breuninger, übertragen. Kurz zuvor startete Breuninger, nach einem Jahre zuvor glücklosen Versuch, den Start in den Online-Handel. Unter Willy Oergel wurde maßgeblich die Multichannel- bzw Omnichannel-Ära von Breuninger eingeleitet.
Eigentümer-Rechtsstreit und 41,1 Millionen Euro „Freundschaftspreis“
Die Auflösung der Breuninger Stiftung im Jahr 2004 war der Auslöser für einen jahrelangen Rechtsstreit um die Besitzverhältnisse an der Stuttgarter Kaufhauskette. Die Stiftung diente neben der Förderung gemeinnütziger Projekte nämlich auch der Kontrolle des Unternehmens und der Unternehmensanteile. Helga Breuninger entschied sich schließlich die Stiftung zu trennen, um ihre gemeinnützigen Aktivitäten vom Kaufhausgeschäft abzukoppeln.
Die Auflösung der Stiftung erfolgte nach Prüfung durch das Regierungspräsidium Stuttgart, ohne dass tiefere Nachforschungen angestellt wurden. Helga Breuninger entschied damals, den Verkauf der Anteile auf nur zwei Vorstände zu beschränken, während drei weitere Vorstandsmitglieder leer ausgingen. Die beiden neuen Mehrheitseigner Willem van Agtmael und Wienand Meilicke, damalige Stiftungsvorstände, erwarben 80 % der Anteile an Breuninger für 41,1 Millionen Euro, was später als „Freundschaftspreis“ bezeichnet wurde. Diese Entscheidung führte später zu einem langwierigen Rechtsstreit, da einer der nicht berücksichtigten Vorstände, Wolfgang Blumers, ebenfalls Anspruch auf eine Beteiligung am Unternehmen erhob.
Der langjährige Rechtsstreit erreichte seinen Höhepunkt, als der Bundesgerichtshof (BGH) 2017 die Klage von Blumers endgültig abwies. Damit bestätigte der BGH die Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart, welches den Anspruch Blumers auf Beteiligung verneint hatte. Mit dieser Entscheidung bleibt die Eigentümerstruktur von Breuninger unverändert und die beiden Hauptgesellschafter van Agtmael und Meilicke behielten die Kontrolle über das Unternehmen.
Aktuelle Unternehmensstruktur und Eigentümerverhältnisse
Die aktuelle „Breuninger-Gruppe“ verteilt sich auf aufgrund der zahlreichen Geschäftsbereiche auf mehrere Gesellschaften und beschäftigt insgesamt, einschließlich jüngster Eröffnungen und Übernahmen, rund 6.500 Mitarbeiter. Breuninger wird dabei mittlerweile von einer siebenköpfigen Unternehmensleitung geführt. Die Unternehmensleitung unter der Führung von CEO Holger Blecker, der Willy Oergel 2017 ablöste (PDF), berichtet an einen Beirat, der sich aus Mitgliedern der Eigentümerfamilien zusammensetzt.
Die Familien Meilicke und van Agtmael halten öffentlichen Angaben nach jeweils weiter 40 % der Anteile, während die Familie Bretschneider/Seidel 20 % besitzt. Gemäß letzten Breuninger Pressemitteilungen fungieren die Söhne Jeroen van Agtamel und Harald Meilicke als Beiratsvorsitzende. Die Konstellation der drei Eigentümerfamilien hat über die Jahre für Stabilität gesorgt, obwohl es Gerüchten nach immer wieder Diskussionen um strategische Entscheidungen gab.
Das Holding-Firmengeflecht von Breuninger ist durch die Eigentümerstruktur und die zahlreichen Geschäftsbereiche komplex und erstreckt sich über zahlreiche Gesellschaften. Stark vereinfacht: Holger Blecker und CFO Marcus Weller sind formell Geschäftsführer der Breuninger Management GmbH, welche wiederum Gesellschafterin der OHG, der E. Breuninger GmbH & Co. (Northdata), die öffentlich in Erscheinung tritt, ist. Die Eigentümerfamilien wiederum treten über die BSG Beteiligungs-GmbH in Erscheinung, die die Kontrolle über die E. Breuninger GmbH & Co. besitzt. Daneben und darunter befinden sich weitere Gesellschaften, wovon die Mehrheit den zahlreichen Immobilienprojekten zuzurechnen ist.
Verkaufsgerüchte um Breuninger schlagen hohe Wellen
Die jüngsten Verkaufsgerüchte über Breuninger schlagen seit Tagen Wellen im deutschen Einzelhandel. Bereits im Juni 2024 soll nach Exklusivberichten der Wirtschaftswoche ein formeller Verkaufsprozess eingeleitet worden sein, bei dem sowohl das Handelsgeschäft als auch die Immobilien des Unternehmens angeboten werden. Mehr als 30 Interessenten sollen bereits Interesse signalisiert haben, darunter auch große Handelsketten wie Galeries Lafayette und El Corte Inglés sowie Investoren wie die Central Group aus Thailand und Amazon. Einige sind nur an den Immobilien interessiert, während andere das gesamte Handelsgeschäft inklusive des profitablen Onlineshops übernehmen möchten. Die Immobilien des Unternehmens wecken ebenfalls das Interesse von Finanzinvestoren wie Morgan Stanley und Deka.
Breuninger hat sich in den letzten Jahrzehnten durch die erfolgreiche Anpassung an den Onlinehandel und die Integration digitaler Erlebnisse in den Filialen durchaus einen starken Ruf erarbeitet, der in Deutschland im Multi-Label-Segment mit stationärer Heritage seinesgleichen sucht. Dennoch – oder gerade deswegen – ist der geplante Verkauf für viele überraschend, da das Unternehmen finanziell stabil scheint. Allerdings steht Breuninger, wie viele andere Handelsunternehmen, vor der Herausforderung, sich in einem sich wandelnden Einzelhandelsumfeld zu behaupten und der Unternehmenswert dürfte weiter nur schwer zu steigern sein.
Aktueller Unternehmenswert: 2 bis 2,5 Milliarden Euro
Breuninger umfasst derzeit 13 Premium- und Luxuswarenhäuser in Städten wie Stuttgart, Düsseldorf, München, Nürnberg und Frankfurt sowie das BRAM in Luxemburg und ein Outlet in Stuttgart. Im Oktober 2024 wird zudem eine neue Filiale in Hamburg eröffnet, während der Store in Reutlingen zum Jahresende schließt. Seit 2008 betreibt Breuninger einen Onlineshop, der in zehn Ländern aktiv ist und über 50 % des Jahresumsatzes von 1,5 Milliarden Euro erwirtschaftet. Ergänzt wird das Portfolio durch 25 Gastronomiebetriebe, darunter Sansibar Sylt in Stuttgart und Düsseldorf, sowie Friseursalons in den Filialen. Zudem besitzt Breuninger mehrere Immobilien, darunter die „Breuningerländer“ in Sindelfingen und Ludwigsburg, die von Unibail-Rodamco Westfield verwaltet werden, und betreibt eines der modernsten Logistikzentren Europas in Sachsenheim. Die Immobilien gelten im Rahmen der Verkaufsgerüchte wohl als die wichtigsten Assets.
Ein Verkauf von Breuninger würden zweifelsohne einen enormen Wertzuwachs für die Eigentümerfamilien bedeuten. Während 2004 die Übertragung der Anteile an Willem van Agtmael und Wienand Meilicke für insgesamt 41,1 Millionen Euro erfolgte, wird der heutige Verkaufswert von Breuninger den Berichten nach auf rund 2 bis 2,5 Milliarden Euro geschätzt.
Der mögliche Verkauf scheint, trotz zahlreichen irritierten Stimmen in der Branche, in einem äußerst günstigen wirtschaftlichen Umfeld stattzufinden, das für die Eigentümerfamilien von Vorteil ist. Die weltwirtschaftliche Lage, insbesondere in den vergangenen Jahren, hat die Wertsteigerung von Immobilien erheblich begünstigt. In einem Niedrigzinsumfeld, das seit der Finanzkrise von 2008 vorherrschte, stiegen die Immobilienpreise kontinuierlich an. Investoren sahen in Immobilien eine sichere Anlageform, was die Nachfrage und damit die Preise trieb.
Auch wenn die Zinspolitik sich in den letzten Monaten mit steigenden Zinsen verändert hat, bleiben Premium-Immobilien, wie sie Breuninger besitzt, weiterhin attraktiv. Mit einem Wert von 1,8 Milliarden Euro für das Immobilienportfolio ist dies ein zentraler Faktor für den Verkaufswert. Die Nachfrage nach großen Einzelhandelsimmobilien in Top-Lagen ist weiterhin hoch, trotz einer abgekühlten Konjunktur in Europa. Internationale Investoren, insbesondere aus Asien und den USA, sind weiterhin auf der Suche nach renditestarken Anlageobjekten in Europa.
Fazit: Ein möglicherweise idealer Verkaufszeitpunkt
Die Kombination aus wertvollen Immobilien, einem etablierten Handelsgeschäft und der aktuellen Weltwirtschaftslage macht den jetzigen Zeitpunkt für die Eigentümerfamilien ideal, um einen maximalen Erlös aus einem Verkauf zu erzielen.
Besonders die Immobilien von Breuninger, vor allem in erstklassigen Innenstadtlagen, haben auch zukünftig großes Potenzial zur Wertsteigerung. In einem Markt, in dem städtische Flächen immer knapper werden, bleiben Premium-Immobilien eine gefragte Assetklasse. Dagegen steht das Handelsgeschäft vor steigenden Herausforderungen: Höhere Energiekosten, steigende Löhne und die zunehmende Konkurrenz durch den Onlinehandel werden die Margen im Handel, besonders im stationären Handel, weiter schmälern.
Das Unternehmen hält sich weiter bedeckt und hat die Medienberichte bislang nicht kommentiert. Die Zukunft von Breuninger bleibt zum aktuellen Zeitpunkt deshalb weiter ungewiss, während die Verkaufsverhandlungen, wenn sich die Berichte bestätigen sollten, parallel wohl voranschreiten. Auch intern scheint Berichten nach bislang keine Bestätigung und kein Dementi gegenüber den Mitarbeitern stattzufinden.
Auch Helga Breuninger äußerte sich mittlerweile überrascht über die Verkaufspläne des Kaufhauses. Sie erklärte, dass sie nicht in die strategischen Entscheidungen des Unternehmens eingebunden sei. „Die Verkaufsmitteilung hat mich überrascht. Ich bin in die Strategieentwicklung des Unternehmens nicht eingebunden und kann dazu nichts sagen“, sagte sie dem SWR. Sie vertraue jedoch darauf, dass eine gute Lösung für das Traditionshaus gefunden werde.
Entscheidend wird letztlich sein, ob ein Käufer das gesamte Unternehmen einschließlich der Department Stores, des Onlinehandels, der Immobilien und weiteren Geschäftsbereichen übernimmt, oder ob das Geschäft in Einzelteile aufgespalten wird.