Die politischen Spannungen in globalen Handelsbeziehungen verschärfen die Herausforderungen für deutsche Unternehmen, ihre Lieferketten abzusichern und diverser aufzustellen. Die Ergebnisse einer aktuellen Umfrage, durchgeführt von vier großen Wirtschaftsverbänden, darunter der Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland (bevh), unterstreichen die dringenden Anforderungen an die Politik. Eine pragmatische und dialogorientierte Strategie in der Handelspolitik sei unerlässlich, wie Vertreter des BGA, bevh, BME und des Mittelstandsverbunds im Vorfeld des Deutschen Lieferkettentags 2024 betonten.
Die Hauptsorge deutscher Unternehmen liegt bei geopolitischen Spannungen, die von 82 Prozent der Befragten als größte Bedrohung für ihre Lieferketten bewertet wurden. Weitere Herausforderungen sind Cyberkriminalität (8 Prozent) und Naturkatastrophen (6 Prozent). Vor allem die Beziehungen zu den größten außereuropäischen Handelspartnern USA und China werden als kritisch gesehen: Während nach der US-Wahl ein Großteil der Unternehmen mit einer Fortsetzung des protektionistischen Kurses rechnet, betonen viele Befragte die unverzichtbare Rolle Chinas für ihre Geschäftsaktivitäten.
Politik erwartet pragmatischen Ansatz
Die Verbände fordern von der deutschen und europäischen Politik eine klare und abgestimmte Strategie zur Sicherung der Lieferketten. Dies sei essenziell, um den wachsenden bürokratischen Aufwand durch die strengen Berichtspflichten der Lieferkettenüberwachung im Rahmen des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) und der geplanten europäischen Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) zu bewältigen. „Der Weg zu sicheren und transparenten Lieferketten darf nicht durch überbordende Bürokratie erschwert werden“, so die Aussage der Verbände.
USA und China bleiben entscheidende Partner
Die Umfrageergebnisse zeigen deutlich, dass fast ein Drittel der Unternehmen (31 Prozent) befürchtet, die USA könnten durch Importzölle und einen „America First“-Ansatz stärker auf Alleingänge setzen. Weitere 59 Prozent halten selektive Handelshemmnisse für möglich. Dies bestätigt die Besorgnis, dass protektionistische Maßnahmen den Welthandel weiter erschweren und europäische Unternehmen vor neue Herausforderungen stellen könnten.
Gleichzeitig bleibt China trotz politischer Spannungen ein Schlüsselfaktor: 75 Prozent der Unternehmen bezeichneten den Handel mit China als „sehr wichtig“ oder „wichtig“ und sehen sich in einer starken wirtschaftlichen Abhängigkeit. Zwei Drittel der Befragten fordern jedoch von der EU, im Handel mit der Volksrepublik selbstbewusster aufzutreten, um den Wettbewerbsdruck durch subventionierte Exportprodukte besser abzufedern.
Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz und Digitalisierung als Herausforderung
Nach fast zwei Jahren Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz fällt das Fazit der Unternehmen nüchtern aus. Ein hoher Bürokratieaufwand und erhöhte Compliance-Risiken bringen für 62 Prozent der befragten Unternehmen überwiegend Nachteile. Nur ein kleiner Teil (14 Prozent) sieht im Gesetz positive Effekte. Die Einführung der Europäischen Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) sorgt ebenfalls für Unsicherheit: 71 Prozent der Unternehmen erwarten durch die neuen Vorschriften höhere Kosten und 59 Prozent sprechen von einer steigenden bürokratischen Belastung.
Ein Lichtblick ist die Digitalisierung: Rund 18 Prozent der Unternehmen haben bereits digitale Überwachungsprozesse etabliert, um Transparenz in ihren Lieferketten zu schaffen. Weitere 40 Prozent befinden sich in der Umsetzung oder planen digitale Upgrades. Damit sehen die Unternehmen in digitalen Lösungen eine mögliche Antwort auf die steigenden Anforderungen an Transparenz und Sicherheit.
Die Umfrageergebnisse sollen auf dem Deutschen Lieferkettentag 2024 detailliert vorgestellt werden. Dort wollen die Verbände und Unternehmen mit politischen Vertretern in einen intensiven Dialog treten, um mehr Klarheit und Entlastung bei den zunehmenden Herausforderungen der Lieferkettenüberwachung zu schaffen.