Die Wirtschaft hat den neuen Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD zur Kenntnis genommen – und meldet sich mit differenzierten Stimmen zu Wort. Während viele Branchen die angestrebten Reformen im Steuer-, Energie- und Digitalbereich grundsätzlich begrüßen, bleiben zentrale Kritikpunkte bestehen.
Einzelhandel lobt Entlastungen, kritisiert aber mangelnde Innenstadt-Förderung
Der Handelsverband Deutschland (HDE) erkennt im Koalitionsvertrag „viele richtige und wichtige Dinge“, etwa die geplante Senkung der Stromsteuer, Maßnahmen zum Bürokratieabbau sowie die Stärkung der Vertrauensarbeitszeit. Auch die Investitionsoffensive mit einem neuen Deutschlandfonds wird positiv gesehen.
Doch trotz dieser Fortschritte bleibt für den Einzelhandel einiges offen: Ein klares Bekenntnis zur Förderung der Innenstädte fehle ebenso wie der Schutz der Tarifautonomie. Die Nennung eines Mindestlohns von 15 Euro im Jahr 2026 bewertet der Verband kritisch – sie sei ein politischer Eingriff in die Lohnfindung und gefährde wirtschaftliche Stabilität.
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Paketbranche fordert Umsetzung und Konkretisierung
Auch der Bundesverband Paket- und Expresslogistik (BPEX) spricht von einem „Paket mit Licht und Schatten“. Gelobt werden die angestrebte Modernisierung der Infrastruktur, die Finanzierung über neue Verkehrskreisläufe sowie der Abbau von bürokratischen Lasten im Postrecht. Positiv aufgenommen wird zudem die Entlastung bei der CO₂-basierten Doppelbelastung für Transporte. Kritik kommt dagegen bei der mangelnden Ausgestaltung: Viele Punkte blieben vage, besonders bei der Finanzierung. Die Branche will sich aktiv in den angekündigten Dialog einbringen, etwa bei Fragen zu Arbeitsbedingungen und praxistauglichen Regelungen für Paketgewichte.
Textilindustrie hofft auf Investitionsschub – warnt aber vor Sozialkosten
Der Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustrie sieht im Koalitionsvertrag erste Impulse für eine wirtschaftliche Trendwende. Entscheidend seien jedoch sinkende Energiepreise und eine Entlastung bei Unternehmenssteuern. Der Verband kritisiert das Fehlen konkreter Vorschläge zur Reform der Sozialversicherungssysteme, da steigende Sozialabgaben als „Gift für die Konjunktur“ wirkten. Mit Blick auf die angekündigten Investitionen fordert die Branche nun zügige Umsetzung.
Rechenzentren und Digitalwirtschaft sehen Paradigmenwechsel
Die Rechenzentrumsbranche begrüßt die geplanten Maßnahmen zur Stärkung des Standorts Deutschland. Für die unter dem Dach des eco-Verbands organisierte Allianz digitaler Infrastrukturen stellt der Koalitionsvertrag einen „Paradigmenwechsel“ dar. Besonders die Integration in die Strompreiskompensation und Erleichterungen bei der Abwärmenutzung seien überfällige Schritte. Auch die angekündigte Beschleunigung von Genehmigungsverfahren wird als Signal für mehr Wettbewerbsfähigkeit gewertet.
Bitkom, der Branchenverband der Digitalwirtschaft, sieht in der geplanten Einrichtung eines Digitalministeriums einen „Meilenstein“ und fordert dessen zügige Umsetzung. Dieses solle als zentrale Instanz die Digitalisierung in Verwaltung, Wirtschaft und Gesellschaft vorantreiben.
Fazit: Umsetzung entscheidet über Erfolg
Ob Schwarz-Rot mit dem Koalitionsvertrag die richtigen Weichen gestellt hat, hängt aus Sicht der Wirtschaftsverbände maßgeblich von der Umsetzung ab. Viele begrüßen die Stoßrichtung – fordern aber Tempo, Klarheit und politische Konsequenz bei zentralen Themen wie Investitionen, Entlastung und Wettbewerbsfähigkeit.