Italiens Justiz geht gegen mögliche Missstände in der Lieferkette des Luxusschuhherstellers Tod’s vor, wie Reuters berichtet. Die Staatsanwaltschaft in Mailand fordert eine gerichtliche Aufsicht über das Unternehmen, nachdem Subunternehmer mit der Ausbeutung von Arbeitskräften in Verbindung gebracht wurden. Es wäre bereits das sechste Luxusunternehmen in Italien seit Anfang 2024, das unter diese besondere Aufsicht gestellt würde.
Keine direkte Anklage gegen Tod’s
Tod’s selbst ist nicht Gegenstand eines Strafverfahrens. Das Unternehmen erklärte gegenüber Reuters, dass es umfassende interne Kontrollen durchführe und nur mit Werkstätten zusammenarbeite, die vertraglich zur Einhaltung arbeitsrechtlicher Standards verpflichtet sind. „Wir halten uns an geltendes Recht“, betonte Tod’s in einer Stellungnahme.
Dennoch werfen die Ermittler dem Unternehmen vor, seine Verantwortung bei der Kontrolle der Lieferkette vernachlässigt zu haben – angeblich zugunsten höherer Gewinne. Die Entscheidung, ob das Verfahren in Mailand oder in der Region Marken weitergeführt wird, in der Tod’s seinen Sitz hat, liegt nun beim italienischen Kassationsgericht, das für den 19. November eine Anhörung angesetzt hat.
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Arbeitsrechtsverstöße bei Subunternehmen
Die Ermittlungen begannen mit Inspektionen durch die Arbeitsabteilung der Carabinieri. Im Großraum Mailand wurden Uniformen für Tod’s-Verkaufspersonal von einem Unternehmen gefertigt, das keine eigene Produktion hatte. Dieses vergab den Auftrag an zwei chinesisch geführte Fabriken weiter, in denen gravierende Verstöße gegen das Arbeitsrecht festgestellt wurden.
Auch in der Region Marken arbeitete Tod’s mit chinesisch geführten Werkstätten zusammen, die Schuhoberteile und andere Komponenten herstellten. In diesen Betrieben erhielten Arbeiter nur 2,75 bis knapp über 3 Euro pro Stunde – deutlich unter dem branchenüblichen Tariflohn von 10 Euro. Zusätzlich wurden Unterkunft und Verpflegung vom Lohn abgezogen, sodass nur ein Bruchteil als Nettoeinkommen verblieb.
Politik reagiert mit neuen Maßnahmen
Italiens Industrieminister Adolfo Urso kündigte an, ein Gesetz zur Zertifizierung rechtskonformer Lieferketten im Modebereich auf den Weg zu bringen. Ziel sei es, das Qualitätssiegel „Made in Italy“ zu schützen und den Ruf der italienischen Modeindustrie zu wahren. Damit könnten auch Unternehmen, gegen die Verfahren laufen, vorbeugend ihre Lieferketten durch Dritte zertifizieren lassen.
Andere renommierte Marken wie Loro Piana, Valentino, Dior, Armani und Alviero Martini standen in der Vergangenheit ebenfalls wegen ähnlicher Vorwürfe unter gerichtlicher Kontrolle. Einige dieser Maßnahmen wurden aufgehoben, nachdem die Unternehmen ihre Prozesse entsprechend angepasst hatten.
Private-Equity-Investor im Hintergrund
Tod’s gehört seit dem vergangenen Jahr mehrheitlich dem Finanzinvestor L Catterton, der von der französischen Luxusgruppe LVMH unterstützt wird. Die Hauptaktionärsfamilie Della Valle hatte sich mit dem Investor auf eine Privatisierung des Unternehmens geeinigt. Der aktuelle Fall könnte die neue Eigentümerstruktur vor eine erste Bewährungsprobe stellen.


