Die kanadische Regierung hat bereits vor zwei Wochen die Schließung der TikTok Technology Canada Inc., die für Kanada zuständige Tochtergesellschaft des chinesischen Mutterkonzerns ByteDance, angeordnet. Der Schritt folgt einer umfassenden nationalen Sicherheitsprüfung, die potenzielle Risiken für die nationale Sicherheit Kanadas identifiziert hat. François-Philippe Champagne, Kanadas Minister für Innovation, Wissenschaft und Industrie, erklärte, die Entscheidung basiere auf gesammelten Informationen und der Beratung durch Sicherheitsbehörden. Ziel sei es, Risiken im Zusammenhang mit ByteDance und seinen Aktivitäten zu minimieren.
Die Maßnahme erfolgte im Rahmen des Investment Canada Act, der es der Regierung erlaubt, ausländische Investitionen zu überprüfen und einzugreifen, wenn diese als Bedrohung für die nationale Sicherheit eingestuft werden.
Bytedance bedauert die Schließung in Kanada
Der Mutterkonzern Bytedance bedauert den Schritt der kanadischen Regierung und kündigt in einer Stellungnahme im TiKTok Newsroom rechtliche Schritte an:
„Die Schließung der TikTok-Büros in Kanada und die Zerstörung hunderter gut bezahlter lokaler Arbeitsplätze liegt im Interesse von niemandem. Mit der heutigen Anordnung wird genau das geschehen. Wir werden diese Entscheidung gerichtlich anfechten. Die TikTok-Plattform bleibt weiterhin verfügbar, damit Creator ein Publikum finden, neue Interessen entdecken und Unternehmen erfolgreich sein können.“
TikTok in Kanada: 40 % Durchdringung und junge User
In Kanada hat TikTok in den letzten Jahren einen bemerkenswerten Aufschwung erlebt. Mit einer Durchdringungsrate von 41,1 % hat die App laut Made in CA rund 14,89 Millionen registrierte Nutzer in Kanada, von denen 5,8 Millionen monatlich aktiv sind. TikTok bleibt damit noch hinter Facebook (77 %) und Instagram (69 %) zurück.
Die Mehrheit der TikTok-Nutzer in Kanada ist jung. 43 % sind zwischen 18 und 29 Jahre alt, 33 % zwischen 30 und 39. Nur 13 % der Nutzer sind zwischen 40 und 49, und lediglich 11 % gehören der Altersgruppe 50–64 an. Interessant ist das Wachstum der Altersgruppe 25–34, die den am schnellsten wachsenden Anteil der Nutzer darstellt. Frauen dominieren mit 60 % die kanadische TikTok-Nutzerbasis.
Sorge von Influencern wächst – droht ein Verbot?
Obwohl die nationalen Geschäftstätigkeiten eingestellt werden müssen, bleibt die App TikTok für kanadische Nutzer weiterhin zugänglich. Die Schließung der TikTok-Büros in Toronto und Vancouver sorgt mittlerweile jedoch nicht nur bei Angestellten des Unternehmens, sondern auch bei Influencern und Content Creators für Unruhe. Wie CBC berichtet, wird die Maßnahme als potenzieller Vorbote eines vollständigen TikTok-Verbots in Kanada gewertet.
Die Sorge der Influencer wird durch die anhaltenden politischen Spannungen verstärkt. Obwohl die kanadische Regierung beteuert, dass die App weiterhin zugänglich bleibt, fühlen sich viele nicht ausreichend abgesichert.
Hintergrund: Druck auf TikTok auch in den USA
Auch im wichtigen Nachbarstaat USA sieht sich das Unternehmen seit Jahren wachsendem politischen Druck ausgesetzt. Bereits 2020 forderte die Trump-Regierung ByteDance auf, seine US-Aktivitäten zu verkaufen, andernfalls drohte ein Verbot der App. Die Biden-Regierung führte diese Bemühungen fort und verabschiedete im April 2024 ein Gesetz, das ByteDance verpflichtet, die US-Aktivitäten von TikTok bis Januar 2025 zu veräußern. Andernfalls wird TikTok aus App-Stores und Internetdiensten in den USA verbannt. TikTok hat mittlerweile Klage eingereicht.
Offen scheint aktuell noch, wie die neue Trump-Regierung TikTok betrachtet. Der mittlerweile enorme Einfluss von TikTok auf die US-Wirtschaft ist mehreren Berichten in US-Medien nach ein starkes Argument für Donald Trump, von einem Verbot doch abzusehen oder das Gesetz umzuschreiben und an neue Bedindungen zu knüpfen.
Fazit: Einfluss von Politik auf Kreativwirtschaft
Die Entwicklung in Kanada und den USA zeigt in jedem Fall eindrucksvoll, dass politische Eingriffe zunehmend direkten Einfluss auf die Kreativwirtschaft haben – eine Realität, mit der sich viele Influencer in Nordamerika aktuell auseinandersetzen müssen.
Die Ereignisse in Kanada und den USA werfen unweigerlich die Frage auf, wie sich die politische Debatte um TikTok in Deutschland entwickeln könnte. Von der CDU bezeichnete Robert Kiesewetter im Handelsblatt TikTok als „Insturment der hybriden Kriegaführung Chinas“ und auch die Grünen fordern regelmäßig ein hartes Ausschöpfen regulatorischer Möglichkeiten. Im Sommer dieses Jahres wurden zudem Einschränkungen für TikTok in der Bundesverwaltung diskutiert, darunter mögliche Verbote der App auf dienstlichen Geräten.
Ob Deutschland ähnliche Maßnahmen wie Kanada oder die USA ergreifen wird, ist noch offen. Klar ist jedoch, dass die Diskussion um TikTok in einem zunehmend geopolitisch aufgeladenen Umfeld geführt wird – mit möglichen Konsequenzen auch für die deutsche Kreativ- und Digitalwirtschaft.