Der Geschäftsbericht eines (börsennotierten) Handelsunternehmens enthält eine Fülle von Informationen, die Anlegern helfen sollen, die finanzielle Lage und die Geschäftsentwicklung des Unternehmens zu verstehen. Doch nicht jede Kennzahl ist auf den ersten Blick selbsterklärend und nicht selten werden Kennzahlen „versteckt“ oder weniger aussagekräftige ins Scheinwerferlicht gerückt.
In diesem Artikel werden die wichtigsten Kennzahlen eines Geschäftsberichts von Handelsunternehmen erläutert und gezeigt, wie diese zu lesen und zu interpretieren sind. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Bottom-line und dem Unterschied zwischen „Gewinn“ und echtem Net-Profit.
Nicht börsennotierte Unternehmen, die keiner detaillierten Publikationspflicht unterliegen, berichten wenn überhaupt nur ein Teil der Kennzahlen. Doch auch hier gilt oftmals Vorsicht, besonders im Vergleich untereinander.
Top-line Kennzahlen (Umsatz, Nachfrage- und Leistungsindikatoren)
Bruttowarenvolumen (Gross Merchandise Volume, GMV)
Das Bruttowarenvolumen (Gross Merchandise Volume, GMV) ist eine Kennzahl, die häufig im E-Commerce und bei Marktplatzunternehmen verwendet wird. Sie gibt den Gesamtwert aller über die Plattform verkauften Waren an, unabhängig davon, wieviel Umsatz davon dem Unternehmen zufließt oder nicht.
Diese Zahl kann unter Umständen irreführend sein, wenn sie – oft kommunikativ stark hervorgehoben – mit dem tatsächlichen Umsatz verwechselt wird, da bei Marktplatzanbietern nur ein Teil des GMV als Umsatz in die Bilanz des Unternehmens eingeht.
Umsatz (Revenue)
Der Umsatz, auch als Erlös bezeichnet, gibt den Gesamtwert aller Verkäufe eines Unternehmens in einem bestimmten Zeitraum an. Diese Kennzahl ist eine der grundlegendsten und am häufigsten verwendeten Messgrößen, um die Leistung eines Unternehmens zu bewerten. Ein steigender Umsatz deutet auf eine wachsende Nachfrage nach den Produkten oder Dienstleistungen des Unternehmens hin.
Der ausgewiesene Umsatz in Geschäftsberichten ist in der Regel netto, das heißt, er enthält keine Mehrwertsteuer. Bei nicht-börsennotierten Unternehmen wird kommunikativ jedoch oft der „Brutto-Umsatz“, also inkl. Mehrwertsteuer, kommuniziert. Dies führt dazu, dass oftmals durch Händler kommunizierte Zahlen von größeren Statistiken, z.B. von Handelsverbänden, abweichen.
Aktive Kunden (Active Customers)
Aktive Kunden bezieht sich auf die Anzahl der Kunden, die im definierten Zeitraum (in der Regel: LTM, Last Twelve Months) mindestens eine Bestellung getätigt haben. Diese Kennzahl hilft, die Kundenbindung und das Engagement zu messen.
Anzahl Gesamt-Bestellungen (Total orders shipped)
Die Anzahl der Bestellungen bezieht sich alle Bestellungen aller Kunden im definierten Zeitraum (in der Regel: LTM, Last Twelve Months). Diese Kennzahl korrespondiert mit Umsatz oder GMV.
Händler mit Marktplatzmodellen weisen oft die Gesamt-Anzahl basierend auf GMV aus, d.h. inklusive der durch Partner verschickten Bestellungen.
Umsatz oder GMV pro aktivem Kunden (Average Revenue/GMV per Active Customer)
Das durchschnittliche GMV pro aktivem Kunden misst den durchschnittlichen Wert aller Bestellungen, die ein aktiver Kunde in einem bestimmten Zeitraum getätigt hat. Diese Kennzahl gibt Einblicke in das Kaufverhalten und den durchschnittlichen Gesamtbestellwert der Kunden pro Zeiteinheit.
Anzahl der Bestellungen pro Kunde (Orders per Customer)
Diese Kennzahl gibt an, wie oft ein Kunde im Durchschnitt bei einem Unternehmen, z.B. pro Jahr, bestellt. Sie hilft, eine steigende oder sinkende Kundenbindung und die Effektivität von Wiederkaufstrategien zu bewerten.
Durchschnittliche Warenkorbgröße (Average Basket Size, Average Order Value)
Die durchschnittliche Warenkorbgröße misst den durchschnittlichen Betrag, den Kunden bei einer Bestellung in den letzten zwölf Monaten ausgeben. Diese Kennzahl hilft, den durchschnittlichen Bestellwert und das Kaufverhalten der Kunden zu analysieren und wird vor Retouren gemessen.
Bottom-line Kennzahlen (Gewinn und Rentabilität)
Bruttogewinn (Gross Profit)
Der Bruttogewinn ist der Betrag, der übrig bleibt, nachdem die Kosten der verkauften Waren (Cost of Goods Sold, COGS) vom Umsatz abgezogen wurden. Diese Kennzahl zeigt, wie effizient ein Unternehmen seine Produktion/Einkauf und den Vertrieb gestaltet.
Ein hoher Bruttogewinn bedeutet, dass das Unternehmen in der Lage ist, seine Produkte zu einem Preis zu verkaufen, der deutlich über den Produktions- oder Einkaufskosten liegt, was auf eine starke Marktposition, effektive Kostenkontrolle oder im Einzelhandel auf wenig Reduzierungen hinweist.
Bei E-Commerce Unternehmen werden oftmals Logistik- und Paymentkosten, Marketingkosten, IT-Kosten und weitere Kosten, die nicht Teil der Cost of Goods sind, als separate Zeilen unter dem Gross Profit ausgewiesen.
Betriebsgewinn (Operating Profit/EBIT)
Der Betriebsgewinn, auch als EBIT (Earnings Before Interest and Taxes) bekannt, gibt den Gewinn vor Zinsen und Steuern an. Diese Kennzahl gibt Auskunft über die operative Leistungsfähigkeit eines Unternehmens, indem sie zeigt, wie viel Gewinn aus den regulären Geschäftstätigkeiten generiert wird, ohne dass finanzielle und steuerliche Einflüsse berücksichtigt werden.
Der Betriebsgewinn hilft Anlegern, die Effizienz des Unternehmens in seiner Hauptgeschäftstätigkeit zu bewerten, unabhängig von seiner Kapitalstruktur und Steuerpolitik.
Die oft angegebene „EBIT-Marge“ in % misst den Anteil des Betriebsergebnisses (EBIT) am Umsatz eines Unternehmens und dient oft als Vergleich und Benchmark in der Branche.
(Bereinigtes) EBITDA (EBITDA, Adjusted EBITDA)
EBITDA steht für „Earnings Before Interest, Taxes, Depreciation, and Amortization“ (Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen). Diese Kennzahl wird verwendet, um die operative Leistung eines Unternehmens zu beurteilen, da sie die Auswirkungen von Finanzierungs- und Bilanzierungsentscheidungen herausfiltert.
Viele Unternehmen präsentieren auch ein bereinigtes EBITDA, bei dem einmalige oder außergewöhnliche Posten ausgeschlossen werden, um ein „saubereres“ Bild der operativen Leistung zu geben. Anleger sollten jedoch vorsichtig sein, da diese Bereinigungen oft subjektiv sind und das tatsächliche Bild verzerren können.
Nettogewinn (Net Profit)
Der Nettogewinn, auch als Net Income oder Net Earnings bezeichnet, ist der endgültige Gewinn nach Abzug aller Ausgaben, einschließlich Zinsen und Steuern. Diese Kennzahl ist entscheidend, um die Rentabilität eines Unternehmens zu bewerten. Sie zeigt, im Falle börsennotierter Unternehmen, wie viel Gewinn tatsächlich für die Aktionäre übrig bleibt, nachdem alle Verbindlichkeiten beglichen wurden.
Ein wachsender Nettogewinn ist ein starkes Zeichen für die finanzielle Gesundheit eines Unternehmens.
Gewinn je Aktie (Earnings Per Share, EPS)
Der Gewinn je Aktie (Earnings Per Share, EPS) ist eine wichtige Kennzahl für Anleger, da sie den Gewinn eines Unternehmens auf einer pro-Aktie-Basis ausdrückt. Sie wird berechnet, indem der Nettogewinn durch die Anzahl der ausstehenden Aktien geteilt wird.
Ein wachsender EPS wird oft als positives Zeichen gewertet, da er auf eine steigende Rentabilität hindeutet.
Die unverwässerte Aktie (unverwässerter Gewinn je Aktie, EPS) berechnet den Gewinn pro Aktie unter der Annahme, dass die aktuelle Anzahl der Aktien konstant bleibt. Sie gibt einen klaren Überblick über den Gewinn, der auf jede existierende Aktie entfällt, ohne zukünftige potenzielle Änderungen in der Anzahl der ausstehenden Aktien zu berücksichtigen.
Die verwässerte Aktie (verwässerter Gewinn je Aktie, diluted EPS) hingegen berücksichtigt alle potenziellen zukünftigen Aktien, die durch Wandelschuldverschreibungen, Aktienoptionen und ähnliche Instrumente entstehen könnten. Dies gibt ein realistischeres Bild des Gewinns pro Aktie, falls alle diese potenziellen Aktien ausgegeben würden und dient als Indikator für die mögliche zukünftige Verwässerung des Gewinns pro Aktie.
Verschuldungsgrad (Debt-to-Equity Ratio)
Der Verschuldungsgrad (Debt-to-Equity Ratio) gibt an, in welchem Verhältnis das Unternehmen mit Fremdkapital (Schulden) im Vergleich zu Eigenkapital finanziert ist. Eine hohe Verschuldung kann riskant sein, da sie das Unternehmen anfälliger für Zinserhöhungen und wirtschaftliche Abschwünge macht. Anleger sollten daher darauf achten, dass der Verschuldungsgrad in einem gesunden Verhältnis steht.
Cashflow (Cash Flow)
Der Cashflow gibt an, wie viel Bargeld ein Unternehmen generiert und ausgibt. Es gibt verschiedene Arten von Cashflows:
- Operativer Cashflow (Operating Cash Flow): Geldfluss aus der regulären Geschäftstätigkeit. Ein positiver operativer Cashflow zeigt, dass das Kerngeschäft des Unternehmens profitabel ist.
- Investitions-Cashflow (Investing Cash Flow): Geldfluss aus Investitionen in das Unternehmen, wie z.B. der Kauf von Anlagen oder Akquisitionen.
- Finanzierungs-Cashflow (Financing Cash Flow): Geldfluss aus Finanzierungsaktivitäten, wie z.B. die Aufnahme von Krediten oder die Ausgabe von Aktien.
Fazit
Das Verständnis der verschiedenen Kennzahlen in einem Geschäftsbericht ist essenziell, um fundierte Anlageentscheidungen treffen zu können. Anleger sollten sich nicht nur auf eine einzelne (hervorgehobene) Kennzahl verlassen, sondern das Gesamtbild betrachten und die Zahlen im Kontext des gesamten Berichts und der Branche analysieren.
Besonders das gerne verwendete EBITDA, das nicht selten nach Veröffentlichung der Geschäftsberichte von Medien mit „Ergebnis“ oder „Gewinn“ gleichgesetzt wird, gibt eben nur ein Teil der Rentabilität eines Unternehmens wieder. Ein Unternehmen kann ein gutes EBITDA ausweisen, dennoch aber unterm Strich tiefrote Zahlen schreiben.
Dass die Geschäftsjahre nicht immer dem Kalenderjahr entsprechen, erschwert zudem oftmals einen direkten Vergleich untereinander, weshalb sich für direkte Vergleiche allgemein Quartalsberichte besser eignen.
Bei nicht börsennotierten Unternehmen ist, besonders im Vergleich untereinander, ebenfalls etwas Vorsicht geboten. Nicht selten wird „Ergebnis“ mit „Ergebnis“ verglichen oder Umsatz mit GMV gleichgesetzt.