Die EU verfolgt mit ihrer Strategie für nachhaltige und zirkuläre Textilien ein ambitioniertes Ziel: Weg vom Fast Fashion-Modell, hin zu langlebigen, wiederverwendbaren und recycelbaren Produkten. Eine neue Auswertung der Europäischen Umweltagentur (EEA) bringt nun erstmals umfassende Zahlen zur tatsächlichen Kreislauffähigkeit des EU-Textilmarkts auf den Tisch. Grundlage sind 14 Kennzahlen aus dem Circular Metrics Lab (CML), ergänzt durch aktuelle Daten zu Produktion, Konsum, Umweltwirkungen und Entsorgung.
Steigender Konsum trotz Effizienzgewinnen
Der Pro-Kopf-Verbrauch von Textilien stieg in der EU zwischen 2019 und 2022 von 17 auf 19 Kilogramm – das entspricht etwa dem Inhalt eines großen Koffers. Diese Zunahme steht im Widerspruch zu ökologischen Zielen, auch wenn die Produktion effizienter geworden ist: Der Rohstoffverbrauch pro Kilogramm Textil ist seit 2010 um 24 Prozent gesunken, die Treibhausgasemissionen um 22 Prozent. Dennoch bleibt der Textilsektor laut EEA der fünftgrößte Verursacher von Umweltbelastungen unter den zwölf Konsumbereichen privater Haushalte.
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Digitale Technologien: Chance und Risiko zugleich
Die Digitalisierung verändert die Textilbranche grundlegend. Fortschritte bei IoT, KI und Automatisierung ermöglichen präzisere Produktion, effizientere Lieferketten und neue Geschäftsmodelle. Gleichzeitig befeuern soziale Medien und E-Commerce das Fast-Fashion-Phänomen: Geringe Preise, einfache Rücksendungen und eine riesige Produktvielfalt fördern übermäßigen Konsum. Hinzu kommt: Rückgaben führen häufig zur Vernichtung ungetragener Ware – laut Studien zwischen 4 und 9 Prozent des Marktvolumens.

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Textilabfall: Wenig getrennte Sammlung, hoher Export
Im Jahr 2022 fielen in der EU rund 6,94 Millionen Tonnen Textilabfälle an – im Schnitt 16 Kilogramm pro Person. Davon wurden nur knapp 15 Prozent getrennt erfasst. Der Großteil landet im Restmüll und damit in der Verbrennung oder auf Deponien. Ab 2025 verpflichtet die überarbeitete Abfallrahmenrichtlinie alle Mitgliedstaaten zur separaten Sammlung von Textilien. Damit wird auch ein Anstieg der Exporte erwartet, die heute bereits bei 1,4 Millionen Tonnen liegen. Viele davon landen letztlich auf offenen Deponien in Afrika oder Asien.
Umweltbelastungen durch Textilien bleiben hoch
Der Textilkonsum verursacht jährlich 234 Millionen Tonnen Rohstoffverbrauch, 159 Millionen Tonnen CO₂-Emissionen, 5,3 Milliarden m³ Wasserverbrauch und beansprucht eine Fläche von 144.000 km². Ein Großteil dieser Belastungen entsteht außerhalb Europas – insbesondere in Asien, wo der Großteil der Produktion stattfindet. Während die Materialintensität pro Produkt gesunken ist, wird diese positive Entwicklung durch wachsenden Konsum nivelliert.
Politische Maßnahmen und Datenlücken
Die EU setzt auf zahlreiche politische Instrumente, darunter die Ökodesign-Verordnung und die Chemikalienstrategie. Ziel ist es, langlebige Produkte zu fördern, Rezyklatanteile zu steigern und gefährliche Substanzen wie PFAS zu reduzieren. Doch trotz dieser Ambitionen bestehen laut EEA erhebliche Datenlücken – etwa bei Produktlebensdauern, Reparaturraten oder Wiederverwendung. Die EEA fordert daher eine verbesserte Datenlage und Monitoringstruktur, um Fortschritte messbar zu machen.
Fazit: Systemwechsel nötig
Die bisherigen Effizienzgewinne reichen nicht aus, um die Umweltwirkungen des Textilsektors substanziell zu senken. Ein tiefgreifender Systemwechsel ist erforderlich – weg von kurzlebigen Billigprodukten, hin zu qualitativ hochwertigen, langlebigen und zirkulär konzipierten Textilien. Die Daten des Circular Metrics Lab zeigen, dass der Weg zur Kreislaufwirtschaft im Textilsektor begonnen hat, aber noch viele Hürden zu überwinden sind.