Auf dem Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos hielt EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eine richtungsweisende Rede, in der sie die aktuellen globalen Herausforderungen und Europas Rolle darin beleuchtete. Sie stellte klare Strategien vor, wie Europa seine Wettbewerbsfähigkeit stärken, den Klimawandel bekämpfen und in einer geopolitisch angespannten Welt bestehen kann.
Die Erwartungen des neuen Jahrtausends – und die Realität heute
Von der Leyen eröffnete ihre Rede mit einem Blick zurück: Vor 25 Jahren herrschte Optimismus hinsichtlich einer vernetzten und kooperativen Weltwirtschaft. Doch heute seien diese Erwartungen nur bedingt erfüllt. Während der globale Handel seit 2000 zwar stark zugenommen habe, sind auch neue Hindernisse entstanden, wie der zunehmende Protektionismus und geopolitische Spannungen. Abhängigkeiten in Lieferketten hätten sich teils als Schwachstelle erwiesen, etwa während der Pandemie oder durch die energiepolitische Erpressung Russlands.
„Wir befinden uns in einer neuen Ära des geostrategischen Wettbewerbs“, stellte von der Leyen fest. Der Wettlauf um Rohstoffe, Technologien und globale Handelsrouten sei in vollem Gange. Dabei betonte sie die Notwendigkeit, Innovation zu fördern, ohne die Grundlagen der Weltwirtschaft zu gefährden: „Es ist in niemandes Interesse, die Bande der Weltwirtschaft zu zerreißen.“
Europa im Fokus: Wachstum durch Innovation, Dekarbonisierung und Bürokratieabbau
Im Zentrum ihrer Rede stand Europas Rolle in dieser veränderten Welt. Von der Leyen hob hervor, dass die EU viele Stärken habe, darunter die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt, hohe Sozial- und Umweltstandards sowie eine innovative Bevölkerung. Doch um in den nächsten 25 Jahren wettbewerbsfähig zu bleiben, müsse Europa einen Gang hochschalten.
Ein Fahrplan, der kommende Woche vorgestellt wird, konzentriert sich auf drei Hauptziele:
- Innovationsförderung durch Kapitalmarktunion: Europäische Unternehmen kämpfen häufig mit einer zersplitterten Kapitalmarktstruktur. Von der Leyen kündigte die Schaffung einer Europäischen Spar- und Investitionsunion an, um Kapital effizienter in innovative Technologien zu lenken.
- Vereinfachung der Geschäftsbedingungen: Bürokratieabbau und ein einheitliches Regelwerk für Unternehmen sollen die Gründung und Expansion innerhalb der EU erleichtern. „Das 28. Regelwerk“ soll nationale Hürden abbauen und den Binnenmarkt stärken.
- Energieunabhängigkeit und saubere Technologien: Nach dem Rückgang russischer Energieimporte strebt Europa eine vollständige Energieunion an. Investitionen in erneuerbare Energien, neue Technologien wie Kernfusion und modernisierte Stromnetze sollen saubere, stabile und bezahlbare Energie garantieren.
Globaler Wettbewerb und Klimawandel: Zusammenarbeit bleibt essenziell
Von der Leyen unterstrich, dass Europa im globalen Wettbewerb auch weiterhin auf Partnerschaften setzen werde. Sie betonte die Notwendigkeit, Handelsbeziehungen auszubauen – sowohl mit traditionellen Partnern wie den USA als auch mit Schwellenländern in Lateinamerika und Asien. Insbesondere die Kooperation mit Indien solle intensiviert werden.
Beim Klimawandel appellierte sie an die Verantwortung aller Kontinente, den Übergang zu Netto-Null-Emissionen zu beschleunigen. Die EU bleibe entschlossen, eine Vorreiterrolle einzunehmen, und werde weiterhin Partnerländer bei der Entwicklung nachhaltiger Technologien unterstützen.
Fazit: Europa bereit für den Wandel
In ihrer abschließenden Botschaft zeigte sich von der Leyen zuversichtlich, dass Europa den Herausforderungen gewachsen ist. Sie betonte die Notwendigkeit, flexibel zu agieren, ohne die europäischen Werte aus den Augen zu verlieren. „Wenn Europa vereint ist, kann es viel bewirken“, resümierte sie.
Mit einem klaren Plan und dem Willen zur Zusammenarbeit will Europa seine Rolle in einer sich wandelnden Welt stärken und als stabiler, innovativer Partner auftreten.