Die Lohnuntergrenze in Deutschland wird erneut angehoben. Die Mindestlohnkommission, bestehend aus Vertretern von Arbeitgebern und Gewerkschaften, hat sich auf eine zweistufige Erhöhung geeinigt: Ab dem 1. Januar 2026 beträgt der gesetzliche Mindestlohn 13,90 Euro, ein Jahr später sind es 14,60 Euro. Aktuell liegt er bei 12,82 Euro. Damit setzt die Kommission eine moderate, aber kontinuierliche Erhöhung um, nachdem 2023 scharfe Kritik an der Vorgehensweise und am Ergebnis laut geworden war.
Neues Verfahren sorgt für Einigung
Die jetzige Entscheidung wurde besonders aufmerksam verfolgt. Zum einen spielte der Mindestlohn eine wichtige Rolle im Bundestagswahlkampf, zum anderen hatte die Kommission nach dem Vertrauensverlust 2023 eine neue Geschäftsordnung eingeführt. Diese sieht vor, dass neben der Lohnentwicklung und weiteren wirtschaftlichen Kennzahlen auch das sogenannte 60-Prozent-Kriterium aus der EU-Mindestlohnrichtlinie berücksichtigt wird. Danach gilt ein Mindestlohn als angemessen, wenn er bei mindestens 60 Prozent des Medianlohns liegt.
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Politische Erwartungen und Realität
Im Wahlkampf hatten insbesondere SPD und Grüne für einen Mindestlohn von 15 Euro plädiert. Die Union pochte hingegen auf die Unabhängigkeit der Kommission. Im Koalitionsvertrag verständigten sich SPD und Union darauf, 15 Euro als „erreichbares Ziel“ zu definieren. SPD-Chef Lars Klingbeil ging weiter und erklärte öffentlich, dass die Lohnuntergrenze 2026 „auf die 15 Euro steigen“ werde. Die Arbeitgeber warfen der Politik daraufhin vor, die Tarifautonomie zu gefährden.
HDE warnt vor Folgen für den Handel
Zwar verlief die aktuelle Entscheidung einvernehmlich, doch die Gegensätze zwischen den Lagern bleiben bestehen. Die Arbeitgeberseite warnte vor zu starken Belastungen, insbesondere im Dienstleistungsbereich, im Handel und für saisonale Arbeitsverhältnisse etwa in der Landwirtschaft.
Der Handelsverband Deutschland (HDE) hat sich nach Bekanntgabe der Entscheidung kritisch geäußert. Zwar bekenne sich der Verband zur Unabhängigkeit der Kommission, warnt jedoch vor schwerwiegenden Konsequenzen für den Einzelhandel. Die Branche befinde sich seit Jahren in einer wirtschaftlich schwierigen Lage – eine Anhebung auf 13,90 Euro im Jahr 2026 und 14,60 Euro im Jahr 2027 sei unter diesen Umständen kaum tragbar.
HDE-Präsident Alexander von Preen erklärte: „Die Festlegung des Mindestlohns ist keine Sozialpolitik. Jobs müssen sich für Arbeitgeber rechnen, sonst fallen sie weg.“ Er sieht zahlreiche Arbeitsplätze in Gefahr und kritisiert, dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit sowie die Arbeitsproduktivität der Betriebe nicht ausreichend berücksichtigt wurden.
Seit Einführung des Mindestlohns 2015 sei dieser um rund 72 Prozent gestiegen – eine Dynamik, die die Tarifautonomie untergrabe und zunehmend tarifliche Strukturen verdränge. Zudem befürchtet der HDE Preissteigerungen und eine sinkende Wettbewerbsfähigkeit. Politische Einflussnahme auf die Kommissionsarbeit bezeichnete von Preen als „systembedrohend“ und warnte vor einem Verlust an Planungssicherheit.
BGA spricht von hartem Kompromiss unter politischem Druck
Auch der Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA) äußerte sich kritisch zur Entscheidung. Die zweistufige Erhöhung sei ein „extrem harter Kompromiss“ und stelle viele kleine und mittlere Großhandelsunternehmen angesichts der anhaltenden Wirtschaftskrise vor erhebliche Herausforderungen. Schon jetzt erreichten die Insolvenzzahlen neue Höchststände.
Zwar habe die Mindestlohnkommission mit ihrer Entscheidung Schlimmeres – etwa eine direkte Umsetzung der politischen Forderung nach 15 Euro – verhindert, doch sei der Eingriff in bestehende Tarifverträge ein problematisches Signal. Die Kommission sei offenkundig nicht frei von politischem Einfluss geblieben. Der BGA forderte ein Ende der politischen Einmischung in die Tarifautonomie, die langfristig das Prinzip der freien Lohnfindung gefährde. Der Druck auf die Arbeitskosten bleibe trotz des Kompromisses „enorm hoch“.


