Nach einem Jahrzehnt des rasanten Wachstums folgte für den Onlinehandel in den Jahren 2022 und 2023 eine Phase der Konsolidierung. Die pandemiebedingten Sondereffekte hatten sich erschöpft, die Konsumstimmung war eingetrübt. Doch 2024 zeigte sich der Onlinehandel wieder deutlich erholt: Der Nettoumsatz stieg laut dem aktuellen HDE-Online-Monitor um 3,8 Prozent auf 88,8 Milliarden Euro. Für 2025 rechnet der Handelsverband Deutschland (HDE) nun mit einem weiteren Wachstum um vier Prozent – das entspräche einem Onlineumsatz von rund 92,4 Milliarden Euro.
Der Onlinehandel legt damit erneut stärker zu als der stationäre Einzelhandel, dessen Plus laut IFH Köln im selben Zeitraum lediglich zwei Prozent beträgt. Der Onlineanteil am gesamten Einzelhandelsumsatz steigt dadurch leicht auf 13,6 Prozent (2023: 13,4 %). Der stellvertretende HDE-Hauptgeschäftsführer Stephan Tromp sieht darin ein klares Signal: „Der Onlinehandel ist wieder die Wachstums-Lokomotive im deutschen Einzelhandel.“
Lebensmittel und Drogerieartikel wachsen überdurchschnittlich
Innerhalb des Onlinehandels treiben vor allem Fast Moving Consumer Goods (FMCG) das Wachstum. Der FMCG-Sektor, zu dem Lebensmittel, Getränke, Körperpflegeprodukte und andere Drogeriewaren zählen, legte 2024 um 7,3 Prozent zu – fast doppelt so viel wie der Durchschnitt aller Onlinebranchen. Der Umsatz in dieser Warengruppe stieg auf rund 12,2 Milliarden Euro. Besonders stark wachsen Drogeriewaren, Kosmetik und Lebensmittel, aber auch Heimtierbedarf und Sanitätswaren zeigen ein kontinuierliches Plus.
Diese Entwicklung überrascht nicht: Verbraucher gewöhnen sich zunehmend an regelmäßige Onlinebestellungen im FMCG-Bereich. Unterstützt wird der Trend durch verbesserte Logistik, schnellere Lieferoptionen und ein erweitertes Produktsortiment vieler Anbieter. Gleichzeitig eröffnet der FMCG-Bereich auch für stationäre Händler mit Onlineangebot neue Potenziale, insbesondere durch Services wie Click & Collect und flexible Liefermodelle.
Marktplätze dominieren – Amazon, Temu und Shein gewinnen Marktanteile
Die Bedeutung von Marktplätzen im deutschen Onlinehandel nimmt weiter zu: 2024 liefen 57 Prozent aller Onlineumsätze über Plattformen – 3 Prozentpunkte mehr als im Vorjahr. Der größte Treiber bleibt Amazon. Mit einem Anteil von 63 Prozent am Onlinehandelsvolumen in Deutschland – davon allein 46 Prozent über den Amazon Marketplace – baut das Unternehmen seine dominierende Marktstellung weiter aus.
Auffällig ist aber auch das starke Wachstum außereuropäischer Plattformen, insbesondere aus China. Anbieter wie Temu und Shein gewinnen rasant an Bedeutung: Nach Schätzungen des IFH Köln liegt ihr gemeinsamer Umsatz in Deutschland bereits zwischen 2,7 und 3,3 Milliarden Euro. Damit entfallen fast 40 Prozent der Umsätze ausländischer Anbieter auf diese beiden Plattformen. Insgesamt machten internationale Anbieter ohne Lager- oder Geschäftssitz in der EU 2024 rund 8,9 Milliarden Euro Umsatz in Deutschland – das entspricht zehn Prozent des gesamten Onlinevolumens.
Forderung nach Regulierung – HDE warnt vor Wettbewerbsverzerrung
Angesichts des steigenden Markteinflusses von Drittstaatenanbietern fordert der HDE eine konsequentere Regulierung. Stephan Tromp betont: „Konkurrenz belebt das Geschäft, aber es muss Schluss sein mit Wild-West. Wer hierzulande Waren verkauft, muss sich an unsere Regeln halten.“ Der Verband kritisiert, dass viele ausländische Anbieter geltende Verbraucher-, Steuer- und Umweltstandards umgehen. Zudem verursachen die enormen Paketmengen aus China – allein Temu soll rund 400.000 Sendungen pro Tag verschicken – erheblichen Aufwand bei Zollbehörden und Infrastruktur.
Die Forderung des HDE: EU-weite Maßnahmen zur Kontrolle von Onlinehändlern aus Drittstaaten, verpflichtende Angaben zur Herkunft der Produkte, eine verschärfte Marktüberwachung sowie eine strengere Umsetzung des Digital Services Act. Die EU-Kommission hat bereits Untersuchungen gegen Temu und Shein eingeleitet. Der Druck auf die neue Bundesregierung, hier national nachzuziehen, steigt.
Plattform-Ökonomie verändert Handelslandschaft
Der Trend hin zu marktplatzbasierten Geschäftsmodellen führt auch zu strukturellen Veränderungen im Handel. Während klassische Versender und stationäre Händler ihre Onlineanteile halten oder leicht steigern, gewinnen Anbieter mit reiner Online-DNA kontinuierlich Marktanteile – vor allem auf Marktplätzen. So erzielen Unternehmen ohne stationäre Herkunft überproportionale Wachstumsraten von über vier Prozent.
Dennoch bleibt die Durchdringung mit digitalen Geschäftsmodellen im institutionellen Fachhandel vergleichsweise gering. In vielen Branchen liegt der Onlineanteil unterhalb des jeweiligen Branchendurchschnitts – mit Ausnahme von Fashion & Accessoires sowie Consumer Electronics, die jeweils über 40 Prozent erreichen. Der stationäre Fachhandel hat hier deutlichen Nachholbedarf, auch wenn Formate wie Click & Collect oder Marktplatz-Partnerschaften Fortschritte ermöglichen.
Second-Hand, Nachhaltigkeit und mobile Nutzung prägen Konsumverhalten
Neben Marktplätzen und FMCG entwickeln sich auch Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft zu zentralen Wachstumstreibern. Der Online-Second-Hand-Markt wuchs 2024 um 7,2 Prozent auf 9,9 Milliarden Euro. Besonders beliebt sind gebrauchte Fashion-Artikel, Bücher und Elektronik. Plattformen wie Vinted oder eBay Kleinanzeigen profitieren dabei vom wachsenden Nachhaltigkeitsbewusstsein – gerade bei jüngeren Konsumenten.
Ein weiterer Trend ist die zunehmende Bedeutung mobiler Endgeräte: Zwei Drittel des Onlineumsatzes werden mittlerweile über Smartphones oder Tablets generiert. Dabei gewinnen Shopping-Apps weiter an Bedeutung – 49 Prozent aller mobilen Käufe erfolgen mittlerweile über Apps statt über mobile Websites.
Auch soziale Medien spielen in der Customer Journey eine wachsende Rolle. Besonders Instagram und TikTok dienen jüngeren Käufern zunehmend als Inspirationsquelle. Gleichzeitig bleibt Google die wichtigste Suchquelle für gezielte Produktsuchen, gefolgt von Amazon – mit zunehmendem Abstand zu anderen Shops oder Plattformen.