Am 23. Oktober 2024 verhandelt der Bundesgerichtshof (BGH) über ein Verfahren, das für die Plattformhaftung in Deutschland von wegweisender Bedeutung sein könnte. Die Wettbewerbszentrale hat Amazon verklagt und fordert eine Erweiterung der Haftungspflichten für Marktplatzbetreiber in Bezug auf Wettbewerbsverstöße durch Drittanbieter. Das Verfahren beruht auf der Frage, wie weit die Prüf- und Beseitigungspflicht von Plattformbetreibern wie Amazon reicht, wenn sie auf Verstöße gegen Marktverhaltensregeln aufmerksam gemacht wurden.
In der Vorinstanz hatte das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main entschieden, dass Amazon für Verstöße Dritter gegen den EU-Bezeichnungsschutz für Milchprodukte haftbar sei, sobald diese Verstöße bekannt sind. Im konkreten Fall hatte Amazon nach Hinweisen der Wettbewerbszentrale zwar zunächst entsprechende Angebote entfernt, jedoch tauchten ähnliche Verstöße bald darauf erneut auf. Die Wettbewerbszentrale argumentiert, dass Amazon nicht nur für das Entfernen dieser Angebote verantwortlich ist, sondern auch dafür sorgen muss, dass sich ähnliche Verstöße nicht wiederholen. Diese sogenannte „Notice & Stay Down“-Verpflichtung wird von Amazon jedoch als unverhältnismäßig angesehen. Der Konzern ist der Ansicht, dass eine umfassende Haftung nur bei besonders schützenswerten Inhalten wie bei Jugendschutz und Produktsicherheit greifen sollte.
Das BGH-Verfahren könnte weitreichende Konsequenzen für die Haftung von Plattformbetreibern haben. Bisher gilt das Prinzip des „Notice & Take Down“, nach dem Plattformen erst bei einem konkreten Hinweis auf einen Rechtsverstoß reagieren müssen. Die Forderung der Wettbewerbszentrale geht jedoch darüber hinaus und verlangt, dass Plattformbetreiber auch präventive Maßnahmen ergreifen müssen, um wiederholte Verstöße zu verhindern.
Das Urteil des BGH wird mit Spannung erwartet, da es einen Präzedenzfall für die zukünftige Regulierung von Online-Marktplätzen in Deutschland setzen könnte. Es bleibt abzuwarten, ob der BGH die Pflichten der Plattformbetreiber verschärfen und eine stärkere Verantwortung bei der Überwachung von Inhalten auferlegen wird. Eine Entscheidung zugunsten der Wettbewerbszentrale könnte für Plattformen wie Amazon erhebliche organisatorische und finanzielle Auswirkungen haben, da sie fortan systematisch Verstöße überwachen und verhindern müssten.