Der international tätige Tech-Investor Prosus hat nach erster Ankündigung im Februar am 19. Mai 2025 gemeinsam mit der Lieferando-Mutter Just Eat Takeaway.com (JET) offiziell ein öffentliches Übernahmeangebot für sämtliche ausstehende Aktien des Lieferdienstkonzerns vorgelegt. Das Angebot erfolgt über MIH Bidco Holdings B.V., eine indirekte hundertprozentige Tochtergesellschaft von Prosus. Mit 20,30 Euro je Aktie bietet Prosus einen attraktiven Aufschlag von rund 63 Prozent gegenüber dem Schlusskurs vom 21. Februar 2025. Die Annahmefrist beginnt am 20. Mai und läuft bis zum 29. Juli 2025.
JETs Vorstand und Aufsichtsrat unterstützen die Offerte einstimmig. Sollte die Übernahme erfolgreich abgeschlossen werden, strebt Prosus an, JET vollständig in den Konzern zu integrieren und seine Position als führender europäischer Anbieter für Online-Lieferdienste zu festigen.
Bewertung von 4,1 Milliarden Euro und klares strategisches Ziel
Die Offerte bewertet JET mit rund 4,1 Milliarden Euro und soll in bar finanziert werden. Die Finanzierung erfolgt vollständig über Eigenmittel aus dem Prosus-Konzern. Damit ist die Transaktion nicht von externen Kreditlinien abhängig. Die Offerte umfasst neben den regulären Aktien auch American Depositary Shares (ADS) sowie CREST Depositary Interests (CDIs).
Prosus verfolgt mit der geplanten Übernahme das Ziel, eine europaweit führende Plattform im Markt für Essenslieferungen aufzubauen. Mit der Erfahrung aus Beteiligungen wie iFood in Brasilien und Delivery Hero hat sich Prosus in den vergangenen Jahren zu einem der wichtigsten Akteure im globalen Liefermarkt entwickelt. Durch die Integration von JET sollen operative Synergien entstehen, die insbesondere auf den Einsatz von Künstlicher Intelligenz in Logistik, Kundenservice und Plattformmanagement abzielen.
Wachstum, Technologie und operative Exzellenz als Hebel
JET bringt starke Marken wie Lieferando, Thuisbezorgd.nl und Just Eat mit in den Konzern. Besonders die Positionen in Großbritannien, Deutschland und den Niederlanden gelten als profitabel und wachstumsfähig. Prosus sieht darin eine Basis für beschleunigtes Wachstum durch gezielte Technologie-Investitionen und die Nutzung eigener AI-Kompetenzen.
Erfahrungen aus dem Plattformbetrieb von iFood sollen auf JET übertragen werden – insbesondere im Bereich Produktentwicklung, Logistikoptimierung, Nachfragegenerierung und Servicequalität. Ziel sei es, die Wettbewerbsposition weiter auszubauen und die Plattform auf angrenzende Bereiche wie Lebensmittellieferung und Fintech-Dienste zu erweitern.
Empfehlungen und Zustimmung des Managements
JETs Management Board und Supervisory Board empfehlen den Aktionären einstimmig die Annahme des Angebots. Grundlage dieser Empfehlung ist die Einschätzung, dass das Angebot sowohl finanziell attraktiv sei als auch langfristig stabile Rahmenbedingungen für das Unternehmen sichere. Dabei wurden verschiedene Szenarien geprüft, darunter auch ein Verbleib von JET als eigenständiges börsennotiertes Unternehmen.
Mehrere Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder, die zusammen etwa 8,1 Prozent der Aktien halten, haben sich vertraglich verpflichtet, ihre Anteile anzudienen. Darunter auch CEO Jitse Groen. Die Hauptversammlung, auf der über die für den Vollzug der Transaktion notwendigen Beschlüsse abgestimmt wird, findet am 8. Juli 2025 statt.
Klare Aussagen zur Governance und Standortgarantie
Im Fall eines erfolgreichen Abschlusses der Übernahme sollen wesentliche Elemente der Unternehmensstruktur von JET erhalten bleiben. Der Hauptsitz soll in Amsterdam bestehen bleiben. Auch Markenidentität und Logos sollen beibehalten werden.
Im Aufsichtsrat wird es Veränderungen geben: Zwei Mitglieder des aktuellen Gremiums, Jambu Palaniappan und Ernst Teunissen, bleiben als unabhängige Mitglieder erhalten. Drei weitere Mitglieder, darunter Prosus-CEO Fabricio Bloisi, sollen neu hinzukommen.
Die Mitglieder des Management Boards bleiben zunächst im Amt. Dies soll Kontinuität gewährleisten und die Integration in die Prosus-Gruppe erleichtern.
Keine Massenentlassungen geplant – Arbeitnehmerrechte bleiben unangetastet
Die Übernahme soll keine negativen Auswirkungen auf die Beschäftigungssituation bei JET haben. Prosus erklärt, keine wesentlichen Stellenstreichungen im Zuge der Transaktion zu planen. Bestehende Arbeitsverträge, Sozialpläne und Betriebsvereinbarungen sollen vollständig respektiert werden. Auch an den bestehenden betrieblichen Mitbestimmungsstrukturen soll festgehalten werden.
Zudem sichert Prosus Investitionen in Mitarbeiterentwicklung und Karrierechancen zu. Ziel sei es, JET zu einem attraktiven Arbeitgeber innerhalb der Prosus-Gruppe zu entwickeln.
Minderheitenschutz und Kapitalstruktur nach der Übernahme
Sollte Prosus nach der Annahmefrist 95 Prozent oder mehr der Aktien halten, wird ein sogenanntes Squeeze-Out-Verfahren eingeleitet, um die verbliebenen Aktionäre auszuzahlen. Liegt die Beteiligung zwischen 80 und 95 Prozent, plant Prosus eine Vermögensübertragung mit anschließender Liquidation.
Solange JET noch Minderheitsaktionäre hat, verpflichtet sich Prosus, keine Kapitalmaßnahmen vorzunehmen oder Transaktionen durchzuführen, die deren Rechte unverhältnismäßig einschränken würden. Auch eine Verschuldung des Unternehmens durch Dritte sei ausgeschlossen.
Regulatorische Freigaben fast vollständig – Abschluss bis Ende 2025
Ein Großteil der für die Transaktion erforderlichen regulatorischen Genehmigungen liegt bereits vor. So haben die Behörden in Kanada, Großbritannien, Österreich und Belgien der Übernahme bereits zugestimmt. Weitere Freigaben in anderen Jurisdiktionen werden für die kommenden Wochen erwartet.
Der Vollzug der Übernahme – das sogenannte Settlement – wird voraussichtlich noch vor Jahresende 2025 erfolgen.