Die Entscheidung des Koalitionsausschusses, die ursprünglich angekündigte Senkung der Stromsteuer nicht flächendeckend umzusetzen, sorgt für scharfe Kritik von führenden Branchenverbänden. Sowohl der Handelsverband Deutschland (HDE) als auch der Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA) werfen der Bundesregierung Vertrauensbruch und wirtschaftspolitisches Versagen vor.
Handel kritisiert Bruch des Koalitionsvertrags
Für den Einzelhandel hätte eine Stromsteuersenkung laut HDE zu einer Entlastung von rund 700 Millionen Euro jährlich geführt. Diese Aussicht ist nun vom Tisch. HDE-Präsident Alexander von Preen bezeichnete die Entscheidung als schweren Rückschlag für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Wenn nicht einmal zentrale Versprechen aus dem Koalitionsvertrag eingelöst würden, schade das nachhaltig dem Vertrauen in die Politik.
Besonders kritisiert der Verband die fehlende Planungssicherheit. Händler hätten mit der Entlastung gerechnet und auf dieser Basis ihre Geschäftsplanungen aufgestellt. Investitionen in Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Standortentwicklung müssten nun auf unbestimmte Zeit verschoben werden. Auch der private Konsum drohe weiter zu schwächeln, wenn es keine spürbaren finanziellen Entlastungen für Verbraucher gebe.
Gewinnen in der Plattform-Ökonomie
Großhandel beklagt Wettbewerbsnachteil
Auch der BGA zeigt sich enttäuscht vom Ergebnis des Koalitionsausschusses. Präsident Dr. Dirk Jandura sprach von einem ernüchternden Signal inmitten der längsten Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg. Zwar sollen die Netzentgelte sinken, doch bei den eigentlichen Stromkosten bleibe Deutschland weiterhin eines der teuersten Länder Europas.
Vor allem nicht-industrielle Branchen wie der Großhandel blieben weitgehend unberücksichtigt. Für Unternehmen mit hohem Energiebedarf, etwa in der Kühllogistik, stelle dies eine massive Belastung dar. Eine branchenübergreifende Entlastung sei notwendig, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu sichern – doch ein überzeugendes Konzept fehle weiterhin.
Kritik an politischer Prioritätensetzung
Beide Verbände werfen der Bundesregierung vor, falsche Prioritäten zu setzen. Während für rentenpolitische Maßnahmen offenbar ausreichend Mittel zur Verfügung stünden, fehle es an der Bereitschaft, wirtschaftliche Rahmenbedingungen substantiell zu verbessern. Besonders kritisch sehen HDE und BGA, dass zentrale wirtschaftspolitische Zusagen einkassiert wurden – und das in einer Phase, in der viele Unternehmen ohnehin unter Druck stehen.