Die Bundesregierung hat am 29. Januar 2025 ihren angekündigten „Aktionsplan E-Commerce“ vorgestellt. Ziel der Initiative soll sein, den Wettbewerb im Onlinehandel fairer zu gestalten und Verbraucher besser zu schützen. Insbesondere der wachsende Einfluss von Plattformen wie Temu und Shein, die vermehrt nicht regelkonforme Produkte auf den europäischen Markt bringen, steht im Fokus der Maßnahmen.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sieht den Plan als klares Signal an alle Marktteilnehmer: „Unsere hohen europäischen Standards müssen für alle gleichermaßen gelten. Niemand darf einen Vorteil dadurch erlangen, dass er geltendes Recht missachtet.“
Die Zahlen der EU-Kommission unterstreichen die Dringlichkeit des Themas. Im Jahr 2024 erreichten vier Milliarden Pakete über E-Commerce-Plattformen die EU, viele davon mit Produkten, die nicht den Vorschriften für Produktsicherheit, Verbraucherschutz und Zollbestimmungen entsprachen. Eine unzureichende Kontrolle führt nicht nur zu Wettbewerbsverzerrungen, sondern kann auch erhebliche Risiken für Verbraucher mit sich bringen.
Drei Säulen für mehr Fairness im Onlinehandel
Der Aktionsplan basiert auf drei wesentlichen Säulen:
- Stärkere Marktüberwachung und schärfere Zollkontrollen
Die Überwachungsbehörden in Deutschland und der EU sollen besser auf den Onlinehandel ausgerichtet werden. Dazu gehört eine Anpassung des EU-Zollrechts sowie eine stärkere Verantwortung der E-Commerce-Plattformen für die von ihnen angebotenen Waren. - Strenge Durchsetzung der Plattformpflichten nach dem Digital Services Act (DSA)
Onlinehandelsplattformen müssen sicherstellen, dass nur überprüfte Händler mit vollständigen Unternehmensangaben ihre Dienste nutzen. Plattformen, die sich nicht an diese Vorgaben halten, müssen Kontosperrungen vornehmen. - Höhere Verantwortung für Umwelt- und Verbraucherschutz
Geplant ist ein verschärftes Vorgehen gegen manipulative Designs („Dark Patterns“) sowie eine Überprüfung der Haftungsregeln für sehr große Plattformen mit über 45 Millionen monatlichen Nutzern.
Bereits im September 2024 hatte das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) einen ersten Entwurf des Aktionsplans veröffentlicht. Die neue Fassung enthält zusätzliche Maßnahmen, darunter eine Überprüfung der Sorgfaltspflichten großer Plattformen.
HDE begrüßt Maßnahmen, warnt aber vor Bürokratie
Der Handelsverband Deutschland (HDE) unterstützt den Aktionsplan grundsätzlich, sieht jedoch offene Fragen bei der praktischen Umsetzung. „Unsere Botschaft ist angekommen, die ständigen Regelbrüche von Temu und Shein müssen ein Ende haben“, sagte HDE-Präsident Alexander von Preen.
Besonders positiv bewertet der Verband die Abschaffung der Zollfreigrenze von 150 Euro und die striktere Anwendung des DSA. Doch der HDE bleibt skeptisch: „Die wichtigste Frage bleibt unbeantwortet: Was genau haben die Unternehmen zu befürchten, die den fairen Wettbewerb in Europa mit Füßen treten?“
Ein weiterer Kritikpunkt des Verbandes ist der wachsende bürokratische Aufwand für europäische Händler. Durch die Einbindung verschiedener Ministerien seien Maßnahmen entstanden, die auch für rechtskonforme Unternehmen zusätzliche Hürden bedeuten könnten. Der HDE fordert daher eine schnellere und konsequentere Umsetzung der Kernpunkte, ohne zusätzliche regulatorische Lasten für deutsche Händler.
Kommentar: Guter Plan, schwache Umsetzungsperspektive
Der Aktionsplan E-Commerce setzt an den richtigen Stellen an. Illegale Importe, fehlende Produktsicherheit und unklare Händlerangaben auf Onlineplattformen sind ernsthafte Probleme, die konsequente Maßnahmen erfordern. Doch zwischen Theorie und Praxis klafft eine gefährliche Lücke.
Die Bundesregierung bleibt viele Antworten schuldig: Welche Konsequenzen drohen Plattformen, die die Regeln ignorieren? Wer stellt sicher, dass die Maßnahmen nicht an der Realität des globalen Handels verpuffen? Und wie soll die Marktüberwachung angesichts begrenzter personeller und technischer Ressourcen effizient arbeiten?
Ein großes Problem ist zudem das Tempo der Umsetzung. Während sich Plattformen aus Drittstaaten blitzschnell an neue Marktbedingungen anpassen, verzettelt sich die Politik in jahrelangen Abstimmungen. Es reicht nicht, Regeln aufzustellen – sie müssen auch durchgesetzt werden.
Wenn die (neue) Bundesregierung es ernst meint mit fairem Wettbewerb im E-Commerce, dann muss sie ihre Ankündigungen zügig in klare, kontrollierbare Maßnahmen umwandeln. Sonst bleibt der Aktionsplan ein gut gemeinter, aber wirkungsloser Versuch, den Onlinehandel zu regulieren.