Der europäische Binnenmarkt bietet der deutschen Industrie erhebliches, bislang ungenutztes Wachstumspotenzial. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Analyse von Deloitte. Insbesondere der Maschinenbau und die Elektroindustrie könnten von einem umfassenden Bürokratieabbau innerhalb der Europäischen Union deutlich profitieren. In einem zunehmend protektionistischen globalen Umfeld erscheinen Reformen auf europäischer Ebene als strategische Chance für exportorientierte Branchen.
Handelshemmnisse wirken wie Binnenzölle
Laut dem Internationalen Währungsfonds entsprechen die regulatorischen Hürden innerhalb der EU einem effektiven Binnenzoll von 44 Prozent auf Industriegüter. Diese Hemmnisse betreffen etwa Berichtspflichten, Normen und technische Anforderungen, die sich zwischen den Mitgliedstaaten unterscheiden. Werden diese Hürden beseitigt, könnte das Exportwachstum deutscher Industriegüter in zentrale EU-Märkte wie Frankreich, Italien oder die Niederlande deutlich zulegen.
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Maschinenbau und Elektroindustrie im Fokus
Am stärksten würden laut Deloitte-Prognose Maschinenbauunternehmen profitieren. Schon ein teilweiser Abbau der Handelshemmnisse würde das Absatzwachstum in Frankreich auf 3,8 Prozent pro Jahr bis 2035 steigern. Ohne Reformen liegt die Prognose bei lediglich 2,7 Prozent. Ähnlich positive Effekte werden für die Märkte in den Niederlanden und Italien erwartet. Die Elektroindustrie würde ebenfalls überdurchschnittlich wachsen. Etwas geringer fällt das zusätzliche Potenzial in der Automobil- und Chemiebranche aus.

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Bedeutungsverlust der USA als Exportmarkt
Die Bedeutung Europas als Absatzregion wird auch durch die aktuellen geopolitischen Entwicklungen gestärkt. Seit Jahresbeginn angekündigte Zölle und Handelsbarrieren könnten die deutschen Industrieexporte in die USA bis 2035 um durchschnittlich 3,2 Prozent pro Jahr sinken lassen. Zum Vergleich: In den fünf Jahren vor der Pandemie waren die Exporte noch um 3 Prozent jährlich gewachsen.
EU-Reformen als wirtschaftspolitisches Gegengewicht
Deloitte-Experten fordern daher eine stärkere Ausrichtung auf den Binnenmarkt. Oliver Bendig, Leiter der Industrieberatung bei Deloitte, bezeichnet den EU-Binnenmarkt als „schlafenden Riesen“ für die deutsche Industrie. Auch Dr. Jürgen Sandau, Partner bei Deloitte, sieht in geplanten EU-Initiativen wie der Omnibus-Verordnung einen wichtigen Schritt zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit. Die Unternehmen selbst seien zudem gefordert, ihre Lieferketten effizienter und flexibler aufzustellen.
Fazit: Europa als strategische Chance
Der europäische Binnenmarkt könnte angesichts des globalen Handelswandels zum entscheidenden Wachstumstreiber für die deutsche Industrie werden – vorausgesetzt, politische und wirtschaftliche Akteure ziehen gemeinsam an einem Strang und beseitigen bürokratische Hürden konsequent.