Die New Guards Group (NGG), ein von Farfetch kontrollierter italienischer Modekonzern, zu dem Marken wie Palm Angels, Alanui sowie eine Lizenz von Off-White gehören, hat ein Sanierungsverfahren nach italienischem Recht eingeleitet. Ziel ist es, durch das sogenannte CNC-Verfahren („Composizione negoziata per la soluzione della crisi d’impresa“) Zeit für eine Umstrukturierung zu gewinnen und eine Insolvenz abzuwenden. Dies berichtet WWD Anfang der Woche.
Das 2021 eingeführte CNC-Verfahren ermöglicht es Unternehmen in finanzieller Schieflage, Sanierungsmaßnahmen einzuleiten, während sie weiterhin am Markt operieren. NGG bestätigte gegenüber FashionNetwork.com, dass die Geschäftstätigkeit während des Verfahrens fortgesetzt wird.
Hintergrund der Krise sind unter anderem ausstehende Lizenzgebühren in Höhe von 300 Millionen US-Dollar an die Authentic Brands Group, die kürzlich die Reebok-Lizenz mit NGG beendete. Die wirtschaftliche Situation des Konzerns verschlechterte sich zusätzlich nach dem Tod von Off-White-Kreativdirektor Virgil Abloh. Trotz der Führung durch Ib Kamara und einem geplanten Lizenzvertrag bis 2026 verlor Off-White an Strahlkraft.
Farfetch hatte NGG 2019 für 550 Millionen Euro übernommen, als der Konzern als Vorreiter im Streetwear-Segment galt. Doch die Popularität von Sport- und Streetwear ließ seitdem nach. Zudem geriet Farfetch selbst 2023 in finanzielle Schwierigkeiten und wurde vom koreanischen Onlinehändler Coupang übernommen. Die neue Konzernleitung hat erklärt, den Fokus auf Farfetchs Kerngeschäft zu legen, was die Zukunft von NGG zusätzlich belastet.
Die New Guards Group blickt auf eine beeindruckende, aber auch turbulente Geschichte zurück. Das Unternehmen wurde 2015 in Mailand von Claudio Antonioli, Davide De Giglio und Marcelo Burlon gegründet. Die drei Gründer kombinierten ihre Erfahrungen aus den Bereichen Modehandel, Produktion und Design, um eine Plattform für aufstrebende Luxusmodemarken zu schaffen. Unter ihrem Dach entwickelten sich Marken wie Off-White, Palm Angels und Heron Preston zu globalen Erfolgsgeschichten. Besonders Off-White, gegründet von Virgil Abloh, avancierte zu einem der bekanntesten Namen in der zeitgenössischen Luxusmode.
Im Jahr 2019 wurde NGG von der Online-Modeplattform Farfetch für 675 Millionen US-Dollar übernommen. Der Schritt sollte Farfetchs Position im Luxussegment stärken und den Zugang zu NGGs Marken und Ressourcen sichern. Doch in den Folgejahren geriet die Gruppe zunehmend unter Druck. Der Tod von Virgil Abloh, das Ende bedeutender Lizenzverträge und der Rückzug der Gründer im Jahr 2023 setzten dem Konzern zu.
Die aktuelle finanzielle Krise spiegelt die Herausforderungen wider, mit denen NGG in einem sich wandelnden Modemarkt konfrontiert ist. Die einstige Vorreiterrolle im Streetwear-Segment verblasste, da sich der Markt veränderte und neue Trends dominierten. Mit der Einleitung des CNC-Verfahrens versucht NGG nun, ihre Zukunft zu sichern und die Kontinuität ihrer Marken zu gewährleisten. Die Sanierung ist dabei nicht nur ein notwendiger Schritt zur Stabilisierung der Finanzen, sondern auch eine Chance, die strategische Ausrichtung neu zu definieren und an die aktuellen Marktanforderungen anzupassen.
Trotz der Krise bleibt NGG ein bedeutender Akteur in der Modebranche. Ihr Modell, als Inkubator für kreative Marken zu fungieren, hat Maßstäbe gesetzt und bewiesen, dass innovative Ansätze auch im Luxussegment erfolgreich sein können. Ob NGG aus der aktuellen Situation gestärkt hervorgehen wird, hängt jedoch davon ab, ob es gelingt, die Herausforderungen des Marktes zu meistern und das Vertrauen von Partnern und Investoren zurückzugewinnen.