Die Werbewelt steht vor einem Paradigmenwechsel: Mit dem Wegfall der Third-Party-Cookies verändern sich Targeting, Tracking und Messbarkeit grundlegend. Insbesondere im Umfeld des offenen Webs sind Unternehmen gezwungen, alternative Technologien zu nutzen, um Reichweiten und Werbewirkung aufrechtzuerhalten. Die Strategien zur Cookie-Alternative sind vielfältig – von kontextuellen Ansätzen über Privacy-Preserving Browser APIs bis hin zu Data Clean Rooms und alternativen IDs.
Der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) e. V. hat nun ein neues Whitepaper zum Rückgang von Third-Party-Cookies veröffentlicht. Die Working Group Data Tech & Economy analysiert darin die Auswirkungen auf sämtliche Phasen der Mediaplanung – von der Awareness bis zur Erfolgsmessung – und zeigt anhand konkreter Anwendungsbeispiele, wie Third-Party-Cookies bislang genutzt wurden.
Zentrales Fazit: Der Wegfall dieser Cookies stellt die Branche vor große Herausforderungen – insbesondere beim Erhalt von Datenqualität und Werbeerträgen. Gleichzeitig entstehen neue technologische Ansätze, die auf First-Party-Daten, KI und datenschutzfreundlichen Lösungen basieren.
Neue Anforderungen an die Awareness-Phase
In der ersten Phase des Marketing-Funnels war bisher das cookie-basierte Targeting entscheidend. Klassisches Profiltargeting ermöglichte durch Verfolgung des Surfverhaltens eine präzise Ausspielung personalisierter Werbung. Alternativen müssen nun ohne Nutzerprofilierung auskommen. Hier setzt kontextuelles Targeting an, das auf den Inhalt der besuchten Website basiert. Die Qualität dieses Ansatzes hängt stark von der Analysefähigkeit der eingesetzten Tools ab – etwa bei Videos durch Technologien wie Speech-to-Text oder Frame-Analyse.
Auch Browserhersteller bieten neue Werkzeuge an. Die Topics API aus Googles Privacy Sandbox etwa liefert anonymisierte Interessensdaten, mit denen sich Werbung thematisch relevant ausspielen lässt – jedoch mit geringerer Präzision als klassische Cookies.
First-Party-Strategien spielen eine wachsende Rolle: Publisher definieren Zielgruppen aus eigenen Daten und bieten diese als Curated Audiences an. Dank standardisierter Formate, etwa durch das IAB Tech Lab, können diese Zielgruppen programmatisch eingebucht werden. Ihre Reichweite ist jedoch beschränkt, sofern keine Plattform-übergreifenden IDs genutzt werden. Hier kommen alternative Identifier wie NetID, Utiq oder RampID ins Spiel. Ihre Wirksamkeit hängt maßgeblich von der Nutzerakzeptanz und der technischen Einbindung in die AdTech-Landschaft ab.
Gewinnen in der Plattform-Ökonomie
Display- und Video-Rotation im Wandel
Display- und Videoanzeigen, ob im Desktop- oder Mobile-Web, unterlagen bisher stark dem Einfluss von Third-Party-Cookies – vor allem beim Frequency Capping oder der nutzerbasierten Ausspielung. Ohne diese Cookies greifen DSPs auf neue Signale zurück: kontextuelle Informationen, First-Party-IDs oder APIs wie die Protected Audience API. Der CTV-Bereich (Connected TV) war nie auf Third-Party-Cookies angewiesen – hier spielen herstellereigene IDs und MAIDs eine Rolle, deren Zukunft ebenfalls offen ist.
Neue Wege im Retargeting und der Conversion-Fokussierung
In der Consideration-Phase war das Retargeting bislang ein zentrales Werkzeug. Dieses Konzept verliert ohne Cookies seine Grundlage. Als Alternativen rücken Matching-Technologien in den Fokus, die auf First-Party-Daten basieren – etwa durch CRM-Daten oder Login-IDs. Data Clean Rooms ermöglichen es zudem, Daten von Publishern und Advertisern datenschutzkonform abzugleichen. PAIR ist ein Beispiel für eine verschlüsselte ID-Zusammenführung, mit der gemeinsames Targeting möglich wird.
First-Party-Daten erlangen auch bei der Nutzeransprache in CRM-getriebenen Kampagnen neuen Stellenwert. Unternehmen sind nun gefordert, ihre Dateninfrastruktur auszubauen und gezielt nutzbar zu machen – etwa durch eigene Login-Systeme oder personalisierte Newsletter.
Messung und Optimierung: Die Suche nach neuen Standards
Die Messbarkeit von Reichweite und Wirkung stellt sich nach dem Cookie-Verlust als größte Herausforderung dar. Viele Methoden basieren auf alternativen IDs, Panels oder probabilistischen Modellen. Ohne Cookies wird es schwieriger, kanalübergreifende Nutzerpfade nachzuvollziehen oder genaue Conversion-Zuordnungen vorzunehmen. Auch Frequency Management bedarf neuer Ansätze: Hier kommen Methoden wie probabilistische Modelle oder serverseitiges Tracking zum Einsatz.
Impression- und Click-Based Bidding bleiben relativ stabil, da sie meist nicht auf Cookie-Informationen basieren. Conversion-basiertes Bidding jedoch wird künftig komplexer – und setzt strukturierte Datenpipelines sowie neue KPIs voraus.
Fazit: Die Zukunft ist cookieless – aber planbar
Der Verzicht auf Third-Party-Cookies markiert einen tiefgreifenden Einschnitt für die digitale Werbebranche – ist aber keinesfalls das Ende gezielter Werbung. Vielmehr entsteht ein neuer Werkzeugkasten aus ID-Lösungen, Kontextdaten und technologischen Standards. Wer seine First-Party-Daten intelligent einsetzt und neue Partnerschaften eingeht, kann die Herausforderungen nicht nur bewältigen, sondern sogar neue Effizienzpotenziale erschließen. Entscheidend wird sein, sich frühzeitig mit diesen Lösungen vertraut zu machen – denn der Wandel ist längst Realität.