Trotz klarer gesetzlicher Vorgaben bleibt der digitale Einkauf für viele Menschen mit Behinderung weiterhin eine Hürde. Die neueste Untersuchung von Aktion Mensch und Google zeigt: Nur ein Drittel der beliebtesten deutschen Online-Shops erfüllt grundlegende Anforderungen an die Barrierefreiheit – und das nur kurz vor dem Inkrafttreten des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes im Juni 2025. In der Studie im Jahr 2024 waren noch 80 Prozent der untersuchten Shops nicht barrierefrei.
Test unter realen Bedingungen
Untersucht wurden 65 der laut SimilarWeb meistbesuchten deutschen Online-Shops mit vollständiger E-Commerce-Funktionalität. Getestet wurde manuell entlang typischer Nutzungswege – von der Produktsuche bis zum Bezahlprozess. Dabei erwies sich wie in den Vorjahren die Tastaturbedienbarkeit als größte Schwachstelle: Nur 20 Shops ließen sich ohne Maus bedienen. Für Menschen mit motorischen oder visuellen Einschränkungen ist dies jedoch essenziell. Weitere Mängel betrafen den fehlenden sichtbaren Tastaturfokus, mangelhafte Farbkontraste und unlogische Tab-Reihenfolgen.
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Pflicht zur Barrierefreiheit ab Juni 2025
Mit dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz setzt Deutschland die europäische Richtlinie zur Barrierefreiheit von Produkten und Dienstleistungen um. Ab dem 28. Juni 2025 sind große Unternehmen verpflichtet, ihre digitalen Angebote entsprechend anzupassen. Bei Nichteinhaltung drohen Bußgelder von bis zu 100.000 Euro. Nur Kleinstunternehmen mit weniger als zehn Mitarbeitenden und einem Jahresumsatz unter zwei Millionen Euro sind ausgenommen.
Die rechtliche Grundlage für das deutsche Barrierefreiheitsstärkungsgesetz liegt in der EU-Richtlinie 2019/882 über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen, auch bekannt als „European Accessibility Act“. Diese wurde im April 2019 verabschiedet und verpflichtete die Mitgliedstaaten zur nationalen Umsetzung bis zum 28. Juni 2022. Deutschland setzte dies mit dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz um, das am 22. Juli 2021 in Kraft trat. Es ergänzt bestehende Regelungen im Behindertengleichstellungsgesetz und legt konkret fest, welche digitalen Angebote bis spätestens Juni 2025 barrierefrei sein müssen – darunter der Online-Handel, Bankdienstleistungen, E-Books und Telekommunikationsdienste.
Forderungen nach mehr Tempo
Angesichts von über 7,8 Millionen Menschen mit anerkannter Schwerbehinderung in Deutschland – darunter rund 350.000 mit Sehbehinderung oder Blindheit – sei digitale Barrierefreiheit kein optionaler Zusatz, sondern Voraussetzung für gleichberechtigte Teilhabe. Auch der Sozialverband Deutschland fordert ein schnelleres Handeln. Vorstandsvorsitzender Michael Engelmeier betont, dass digitale Zugänglichkeit insbesondere für ältere und mobilitätseingeschränkte Menschen entscheidend sei – gerade beim Online-Shopping.
Fazit: Ein Drittel reicht nicht
Zwar konnte im Vergleich zum Vorjahr eine Verbesserung verzeichnet werden – 2024 erfüllten lediglich 20 Prozent der Shops die Anforderungen –, doch bleibt der Fortschritt schleppend. Die Partner der Studie, darunter BITV-Consult, die Stiftung Pfennigparade und UDG, mahnen zur Eile. Denn barrierefreie Webangebote seien nicht nur rechtliche Pflicht, sondern wirtschaftlich sinnvoll. Schließlich profitieren auch Menschen ohne Einschränkungen von klar strukturierten, zugänglichen Webseiten.


