Mehr als ein Drittel der deutschen Unternehmen ist von der anstehenden Mindestlohnerhöhung zum 1. Januar 2026 direkt betroffen. Laut einer aktuellen ifo-Studie reagieren viele dieser Firmen mit Preisanpassungen, Stellenabbau und reduzierten Investitionen. Der Mindestlohn steigt von 12,82 auf 13,90 Euro brutto pro Stunde – ein Plus von 8,4 % und damit deutlich über dem erwarteten Tariflohnanstieg von rund 3 %.
Handel und Gastgewerbe besonders betroffen
Besonders stark betroffen sind laut ifo die Branchen mit niedrigem Lohnniveau: Im Gastgewerbe geben 77 % der Unternehmen an, direkt vom neuen Mindestlohn betroffen zu sein, im Einzelhandel sind es 71 %. Auch im verarbeitenden Gewerbe trifft es vor allem das Textil- und Bekleidungsgewerbe (62 %) sowie die Lebensmittelindustrie (59 %). Im Baugewerbe dagegen ist die Betroffenheit gering – hier gelten bereits höhere branchenspezifische Mindestlöhne.
Insgesamt berichten 37 % der über 4.600 befragten Unternehmen, dass sie Arbeitsverhältnisse haben, die bisher unter dem neuen Mindestlohnniveau vergütet werden. Besonders in Ostdeutschland ist der Anteil betroffener Beschäftigungsverhältnisse mit 7,7 % höher als in Westdeutschland (5,2 %).
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Jede fünfte Firma plant Stellenabbau
Die Reaktionen auf die Lohnerhöhung fallen in der aktuellen wirtschaftlichen Schwächephase spürbar drastischer aus als bei der letzten großen Anpassung 2022. Mehr als jede fünfte direkt betroffene Firma (22 %) plant Stellenstreichungen. Der Anteil der Unternehmen, die Investitionen zurückfahren wollen, hat sich im Vergleich zu 2022 fast verdoppelt – von 15 % auf rund 28 %.
Trotz der angespannten Konjunktur setzen viele Firmen auf Preisanpassungen: 50 % der betroffenen Unternehmen wollen höhere Kosten an Kunden weitergeben – allerdings weniger als 2022, als noch 55 % entsprechende Schritte ankündigten. Die Fähigkeit, höhere Lohnkosten durch Preisanpassungen abzufedern, scheint also abgenommen zu haben.
Parallel rechnen die Unternehmen zunehmend mit negativen Folgeeffekten: 51 % erwarten einen Rückgang ihrer Profitabilität, 37 % sehen ihre Wettbewerbsfähigkeit gefährdet. Diese Einschätzungen liegen deutlich über den Werten der vorherigen Umfrage im Jahr 2022.
Kritik an starrem Anpassungsmechanismus
Auffällig ist, dass die Mindestlohnkommission bei ihren Anpassungsempfehlungen bislang kaum konjunkturelle Faktoren berücksichtigt. Die aktuelle Erhöhung, die von zahlreichen Experten als falsch betitelt wird, erfolgt in einem Umfeld, in dem das Bruttoinlandsprodukt seit 2022 stagniert oder gar rückläufig war. Studien aus den USA und Deutschland zeigen jedoch, dass Mindestlohnanhebungen während Schwächephasen tendenziell stärkere Beschäftigungseinbußen nach sich ziehen als in Wachstumsphasen.
Die Autoren der Studie sprechen sich daher dafür aus, künftig auch die wirtschaftliche Lage – etwa gemessen an der Output-Lücke – stärker in die Entscheidungsprozesse einzubeziehen. Denn die Ergebnisse legen nahe: Eine Mindestlohnerhöhung trifft Unternehmen besonders hart, wenn die wirtschaftliche Substanz ohnehin angeschlagen ist.


