Das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg hat entschieden, dass Netto-Online, betrieben von der NeS GmbH, keine Vorkasse-Zahlungen vor Vertragsabschluss mehr verlangen darf. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hatte geklagt und das Urteil erwirkt. Das Gericht stellte fest, dass die Vorkasse-Regelung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des Unternehmens Verbraucher unangemessen benachteiligt und damit gegen das Bürgerliche Gesetzbuch verstößt.
Laut den AGB von Netto-Online kam der Kaufvertrag erst mit der Lieferung der Ware zustande. Bei Zahlung per Vorkasse mussten Kunden jedoch den gesamten Rechnungsbetrag schon lange vor Vertragsabschluss zahlen. Diese Praxis benachteiligte Kunden erheblich, wie das OLG Nürnberg urteilte.
Rosemarie Rodden, Referentin beim vzbv, betonte: „Wer Waren online kauft und per Vorkasse bezahlt, sollte eine starke Rechtsposition gegenüber dem Verkäufer haben. Ohne eine vertragliche Grundlage den vollen Kaufpreis zahlen zu müssen, ist unfair.“
Netto-Online bietet auf seiner Webseite auch hochpreisige Waren an, die über 1.000 Euro kosten. Kunden, die sich für Vorkasse entschieden, mussten den vollen Betrag innerhalb von sieben Tagen nach Bestellung zahlen, während der Kaufvertrag erst bei Warenlieferung zustande kam. Die Lieferzeiten wurden mit „ca. 1 bis 3 Werktagen“ für Paketzustellungen und „ca. 10 Werktage“ für Speditionslieferungen angegeben, bei Vorkasse verlängerten sich diese Zeiten um drei Werktage. Kunden mussten somit den Kaufpreis leisten, ohne dass ein Vertrag zustande gekommen war.
Das OLG Nürnberg folgte der Auffassung des vzbv, dass diese Regelung Kunden unangemessen benachteiligt. Verbraucher wurden rechtlich schlechter gestellt als bei einem bestehenden Kaufvertrag, da sie bei Nichtlieferung zwar ihr Geld zurückfordern, aber nicht auf Lieferung bestehen oder Schadenersatz verlangen konnten.
Das Hinausschieben des Vertragsabschlusses bis zur Warenlieferung sei für Verbraucher mit erheblichen Nachteilen verbunden. Sie mussten das gezahlte Geld über einen längeren Zeitraum entbehren, ohne sicher zu sein, dass die Ware tatsächlich geliefert wird. Zudem konnten Kunden nicht erkennen, wie lange sie an ihre Bestellung gebunden waren und wie lange das Unternehmen ihr Angebot annehmen konnte. Die als Circa-Fristen angegebenen Lieferzeiten boten keine Gewissheit.
Das Urteil ist rechtskräftig und geht auf einen Hinweis der Marktbeobachtung des vzbv zurück.
Für die Praxis kann dieses Urteil richtungsweisend sein – muss es aber nicht, da der Netto-Fall durchaus besonders ist. Wenn Vorkasse als Zahlungsart existiert, sollten in jedem Fall interne Prozesse und die Formulierungen in den Allgemeinen Geschäftsbedindungen (AGB) auf den Sachverhalt geprüft und unter Umständen angepasst werden.