Retail Media wird in vielen Handelsunternehmen vorrangig als Thema des Marketings verortet – strategisch, kommunikativ, operativ. Es geht um Werbeflächen, Zielgruppenansprache und Performance-Kampagnen. Doch wer genauer hinschaut, erkennt schnell: Der eigentliche Hebel für den wirtschaftlichen Erfolg liegt oft ganz woanders – im Einkauf.
Während das Marketing Retail Media als zusätzliche Erlösquelle und Chance zur Markeninszenierung sieht, begegnet der Einkauf dem Thema nicht selten mit Skepsis. Der Grund: Retail Media wird dort als potenzielle Konkurrenz zu etablierten Erlösmodellen wie Werbekostenzuschüssen (WKZ), Boni oder klassischen Konditionen wahrgenommen. Dadurch entstehen in vielen Unternehmen unsichtbare Barrieren, die den ganzheitlichen Erfolg ausbremsen können.
Warum der Einkauf über Erfolg oder Misserfolg entscheidet
In vielen Handelsunternehmen liegt das Mandat für die Steuerung der Lieferantenbeziehungen klar beim Einkauf. Dort werden Konditionen verhandelt, Jahresgespräche geführt und Budgets verteilt. Wenn Retail Media an dieser Stelle nicht aktiv mitgedacht oder gar als Störfaktor empfunden wird, bleibt das Potenzial des Kanals weitgehend ungenutzt. Noch häufiger sind es interne Zielkonflikte, die eine sinnvolle Verknüpfung der Disziplinen verhindern – etwa wenn der Einkauf rein auf Marge und Preise optimiert, während das Marketing auf Reichweite und Branding setzt.
Auch fehlt es häufig an klaren Anreizsystemen: Warum sollte ein Einkäufer Medialeistungen priorisieren, wenn er am Ende an klassischen Konditionen gemessen wird? Ohne ein neues, integriertes Zielbild bleibt Retail Media in der Praxis häufig Stückwerk.
Marketing und Einkauf: Partner oder Parallelwelten?
Retail Media funktioniert nur dann wirklich effektiv, wenn es als gemeinsame Aufgabe verstanden wird – nicht als Konkurrenz der Abteilungen. Während das Marketing die notwendige Media- und Kampagnenkompetenz mitbringt, verfügt der Einkauf über direkten Zugang zu den Herstellern und Verhandlungsspielraum. Doch in der Praxis agieren beide Bereiche oft wie Parallelwelten: unterschiedliche KPIs, unterschiedliche Sprache, unterschiedliche Ziele. Erfolgreiche Händler brechen dieses Silodenken gezielt auf. Sie schaffen Schnittstellen, gemeinsame Planungstools und klare Zuständigkeiten, die eine partnerschaftliche Zusammenarbeit ermöglichen.
Retail Media wird in diesen Unternehmen nicht nur als Werbefläche gedacht, sondern als strategische Wachstumsplattform im Zusammenspiel aller Beteiligten.
Neue Bewertungslogik: vom Preis zur Werbewirkung
Die Einführung von Retail Media erfordert ein Umdenken – insbesondere bei der Bewertung von Kooperationen. Klassische Modelle, die auf Stückzahlen, Rabatten oder WKZ basieren, greifen zu kurz, wenn es um digitale Medialeistung geht. Stattdessen braucht es ein Verständnis für Reichweite, Sichtbarkeiten, Conversion-Raten und Zielgruppenqualität. Das bedeutet in der Praxis: Werbebudgets und KPIs treten an die Stelle von Staffelpreisen und Palettenrabatten. Damit dieser Wandel gelingt, müssen Prozesse, Systeme und vor allem Menschen darauf vorbereitet werden. Schulungsformate, gemeinsame KPI-Frameworks und transparente Dashboards sind entscheidende Bausteine, um Einkauf und Marketing auf eine neue Bewertungslogik einzuschwören – und damit Retail Media als zukunftsfähiges Geschäftsmodell zu verankern.
Empfehlung: Retail Media zur Chefsache machen
Retail Media kann nur dann sein volles Potenzial entfalten, wenn es abteilungsübergreifend gedacht und gesteuert wird – und das auf höchster Ebene. Es reicht nicht, wenn Marketing allein neue Formate aufsetzt oder der Einkauf isoliert über Budgets entscheidet. Vielmehr müssen Einkauf, Marketing, Category Management und Media an einem Tisch sitzen, um gemeinsame Ziele, KPIs und Prozesse zu definieren. Dazu gehört auch, die Kundenansprache neu zu denken: weg von fragmentierten Touchpoints, hin zu einer durchgängigen, datenbasierten Kommunikation entlang der Customer Journey.
Retail Media ist kein isoliertes Projekt – es ist ein integraler Bestandteil der Handelsstrategie. Wer das frühzeitig erkennt und richtig aufsetzt, verschafft sich einen klaren Wettbewerbsvorteil.