Die Angst vor Cyberangriffen und einem möglichen Cyberkrieg wächst in Deutschland. Laut einer aktuellen Bitkom-Studie halten 70 Prozent der Befragten die Bedrohung durch Cybercrime für hoch, während 61 Prozent sich vor einem Cyberkrieg fürchten. Ebenso viele sind überzeugt, dass Deutschland auf solche Bedrohungen nicht ausreichend vorbereitet ist.
Die Studie wurde anlässlich der Munich Cyber Security Conference (MCSC) vorgestellt und basiert auf einer repräsentativen Befragung von 1.115 Personen ab 16 Jahren. Dabei zeigt sich, dass die Menschen nicht nur organisierte Kriminalität oder Einzelakteure als Gefahr sehen, sondern insbesondere ausländische Geheimdienste.
Russland und China als größte Cyberbedrohungen
Die Wahrnehmung der Bedrohungslage variiert stark nach Herkunft der potenziellen Angreifer. 98 Prozent der Befragten sehen Russland als größte Gefahr für die Cybersicherheit, gefolgt von China mit 84 Prozent. Nordkorea (44 Prozent), die USA (32 Prozent) und der Iran (29 Prozent) stehen ebenfalls weit oben auf der Liste.
Bitkom-Präsident Dr. Ralf Wintergerst betont, dass sich die Grenzen zwischen Cyberkriminalität und hybrider Kriegsführung zunehmend verwischen. „Die Bedrohungslage wird sich verschärfen. Wir müssen unsere nationale Sicherheit sowohl klassisch als auch digital stärken“, so Wintergerst.
Vertrauen in Behörden gering
Besonders skeptisch sind die Deutschen, wenn es um die Vorbereitung der Behörden auf Cyberangriffe geht. Nur 23 Prozent halten die öffentliche Verwaltung und Institutionen wie Polizei oder Bundeswehr für gut aufgestellt. Eine Mehrheit von 70 Prozent ist hingegen überzeugt, dass Kriege in Zukunft zunehmend digital ausgetragen werden und Cyberangriffe auf kritische Infrastruktur eine größere Gefahr darstellen als konventionelle militärische Angriffe.
Auch physische Angriffe auf digitale Infrastruktur sorgen für Besorgnis. So sehen 63 Prozent Anschläge auf Untersee-Kabel als alarmierend an und fordern verstärkten Schutz. 69 Prozent sind der Ansicht, dass solche Sabotageakte wie militärische Angriffe gewertet werden sollten.
Cyberkrieg: Deutschland soll sich besser wappnen
Die Studie zeigt auch, dass Deutschland in Sachen Cybersicherheit aus Sicht der Bevölkerung nur bedingt verteidigungsfähig ist. Zwei Drittel der Befragten halten das Land für schlecht vorbereitet. Entsprechend groß ist die Unterstützung für neue Maßnahmen:
- 75 Prozent fordern einen digitalen Katastrophenschutz.
- 73 Prozent plädieren für höhere Investitionen in den Schutz kritischer Infrastruktur.
- 71 Prozent befürworten den Aufbau eigener Cyberangriffskapazitäten.
- 68 Prozent wünschen sich eine Art „Cyber-NATO“ mit internationalen Partnern.
Kaum Fortschritte bei der Nationalen Sicherheitsstrategie
Obwohl die Bundesregierung mit der Nationalen Sicherheitsstrategie 30 Maßnahmen zur Stärkung der Cybersicherheit angekündigt hat, wurden laut Bitkom bislang nur zwei davon vollständig umgesetzt. 19 befinden sich in der Umsetzung, während 9 noch nicht einmal begonnen wurden.
Besonders kritisch wird gesehen, dass der Ausbau des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zu einer zentralen Anlaufstelle für Cybersicherheit verschoben wurde und Investitionen in kritische Infrastrukturen hinter den Erwartungen zurückbleiben.
„Ambitionierte Strategien und Agenden nützen nichts, wenn es bei Ankündigungen bleibt“, kritisiert Wintergerst. „Die nächste Bundesregierung muss die nötigen Maßnahmen ohne weitere Verzögerung umsetzen.“