Die Tarifverhandlungen in der westdeutschen Textil- und Bekleidungsindustrie stehen weiter unter schwierigen Vorzeichen. Angesichts der angespannten wirtschaftlichen Lage und anhaltender Unsicherheiten sehen die Arbeitgeber keinen finanziellen Spielraum für große Lohnsteigerungen. Dennoch haben sie in der zweiten Verhandlungsrunde ein Angebot vorgelegt, das eine Tariferhöhung vorsieht.
Moderate Lohnerhöhung in zwei Stufen
Das Angebot der Arbeitgeber umfasst eine Erhöhung der Löhne um insgesamt 3 Prozent über eine Laufzeit von 28 Monaten. Vorgesehen sind zwei Stufen: 1,3 Prozent mehr ab dem 1. November 2025 und weitere 1,7 Prozent zum 1. November 2026. Zudem sollen praktikable Öffnungsklauseln für wirtschaftlich besonders betroffene Unternehmen ermöglicht werden.
„Wir alle wissen, dass wir keine Verteilungsspielräume haben. Unser Angebot trägt dem Ernst der Lage Rechnung“, erklärt Markus Simon, Verhandlungsführer der Arbeitgeberseite. Höhere Lohnsteigerungen seien für viele Unternehmen nicht tragbar, da es bei etlichen um die Existenz gehe.
Branche kämpft mit Umsatzrückgang und Insolvenzen
Die wirtschaftliche Lage der Textil- und Modeindustrie ist angespannt. In den vergangenen fünf Jahren verzeichnete die Branche einen durchschnittlichen Umsatzrückgang von über 20 Prozent, so der Verband Textil+Mode. Gleichzeitig ist die Zahl der Insolvenzen überdurchschnittlich hoch: Im vergangenen Jahr meldeten doppelt so viele Unternehmen Insolvenz an wie zwei Jahre zuvor.
Besonders betroffen sind Hersteller von Mode, Schuhen und Heimtextilien, die unter der schwachen Inlandsnachfrage leiden. Gleichzeitig stehen Produzenten technischer Textilien für den Weltmarkt unter Druck, da die hohen Produktionskosten in Deutschland ihre Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigen. Viele Unternehmen müssen Teile ihrer Produktion ins Ausland verlagern oder schließen.
Folgen für textile Zulieferer der Automobilindustrie
Auch die Absatzkrise der deutschen Autobauer wirkt sich negativ auf die Textilbranche aus. Hochwertige technische Textilien kommen unter anderem in der Automobilindustrie zum Einsatz. Der Rückgang in diesem Sektor hat daher auch direkte wirtschaftliche Folgen für die Zulieferer der Branche.
Die westdeutsche Textil- und Modeindustrie umfasst rund 1.000 meist mittelständische Unternehmen mit insgesamt etwa 100.000 Beschäftigten. Viele davon sind familiengeführt und produzieren neben Bekleidung auch Textilien für Wohnen, Schlafen oder den medizinischen Bereich.
Die Tarifverhandlungen dürften aufgrund der unterschiedlichen Positionen der Arbeitgeber und der IG Metall weiterhin herausfordernd bleiben.