Die noch immer stark wachsende E-Commerce-Plattform Temu treibt mit dem sogenannten „Local-To-Local-Modell“ die Expansion in Europa voran. Erklärtes Ziel ist es, lokale Händler noch stärker einzubinden und Lieferzeiten für Kunden europaweit erheblich zu verkürzen, wie ein Unternehmenssprecher gegenüber Retail-News mitteilt.
Temu, das in der EU rund 90-100 Millionen monatliche Nutzer verzeichnet, sieht enormes Potenzial in dieser Strategie: Bis zu 80 Prozent des europäischen Gesamtumsatzes sollen künftig über das Local-To-Local-Programm abgewickelt werden.
Local-to-Local jetzt auch in Österreich
Österreich dient dabei als neuer Vorzeigemarkt. Zwischen April und Oktober 2024 bediente die Plattform eigenen Angaben nach monatlich durchschnittlich 1,7 Millionen Nutzer in der Alpenrepublik. Täglich erreichen laut Medienberichten mehr als 30.000 Sendungen von Temu das Land.
Kunden können mittlerweile – ähnlich wie in Deutschland – zwischen Produkten mit dem Label „Lokales Lager“ (local warehouse) oder „Store mit schneller Lieferung“ (quickship) wählen, was eine Lieferung aus nahegelegenen Lagern garantiert. Damit sinkt die Lieferzeit auf wenige Tage. Für Händler bietet dieses Modell die Möglichkeit, vor Ort Artikel wie Möbel oder andere sperrige Produkte einzulagern und somit neue Zielgruppen zu erschließen.
Lokale Lager sind vor allem in stark nachgefragten Zeiträumen wie Verkaufsaktionen eine entscheidende Ressource. Ein Beispiel ist die aktuelle Winteraktion, bei der viele Artikel mit dem Etikett „Winter Selection“ gekennzeichnet und direkt aus den lokalen Lagern geliefert werden.
Temu setzt in vielen Märkten auf lokale Lieferungen
Auch in anderen europäischen Ländern wie Deutschland, Frankreich, Spanien und Italien ist das Modell bereits verfügbar. Weltweit wurde es zudem in Märkten wie Mexiko und USA, wo Temu ebenfalls stark in die Seller-Akquise investiert, eingeführt.
Berichten nach verstärkt Amazon in den USA mittlerweile und im Gegenzug den Druck auf chinesische Händler, keine niedrigeren Preise auf Temu anzubieten. Händler, die günstigere Angebote auf der Konkurrenzplattform machen, werden Insidern zufolge aus dem „Featured Offer“-Programm ausgeschlossen.
Erste Retail Media-Test gestartet
Temu wagt sich neben dem Fokus auf lokale Händler und Lager zudem in ein neues Geschäftsfeld vor: das Anbieten von Werbeflächen für Händler. Der Ansatz ähnelt Amazons Werbemodell, bei dem Verkäufer ihre Produkte durch bezahlte Anzeigen prominenter platzieren können.
Nach Angaben mit der Angelegenheit vertrauten Personen hat Temu laut The Information begonnen, diese Anzeigen testweise in den USA anzubieten. Das Ziel ist klar: Zusätzliche Einnahmequellen über Retail Media zu schaffen und die Profitabilität zu steigern. Indem Händler für mehr Sichtbarkeit zahlen, könnte Temu seine Einnahmen über die reinen Produktverkäufe hinaus ausweiten.
Fazit: Temu’s nächste Expansionsstufe ist gestartet
Die Schritte kommen insgesamt nicht überraschend. Temu hat sich seit seinem Start in den USA und Europa schnell als ernstzunehmender Konkurrent für Amazon, Otto und Co. etabliert. Besonders die aggressive Preispolitik hat dem Unternehmen zu einem schnellen Wachstum verholfen, oft zum Ärger der größerer Rivalen, die mit Sale-Kampagnen und neuen Geschäftsmodellen wie Amazon Haul, das wiederum rund 1.000 chinesische Händler an Bord hat, gegenhalten.
Doch vor allem die Einführung eines Werbemodells birgt auch Risiken: Höhere Kosten für Händler sowie der gleichzeitige Fokus auf lokale Lager könnten letztlich auf die Endverbraucher abgewälzt werden, was Temus Image als Plattform für Schnäppchenjäger schaden könnte
Auch die Ausgestaltung des Modells wird entscheidend sein: Amazon verdient einen erheblichen Teil seiner Umsätze durch Werbung und bietet ein ausgereiftes System für Händler. Temu muss hier nicht nur technische Exzellenz beweisen, sondern auch sicherstellen, dass die Balance zwischen Händlervorteilen und Endkundenzufriedenheit gewahrt bleibt.
Wie weit die Retail Media-Tests gediehen sind und ob ein flächendeckender Rollout geplant ist, bleibt noch unklar. Doch der Schritt zeigt, dass Temu weiter ambitioniert und bereit ist, seine Marktstellung weiter auszubauen.