Die Vereinigten Staaten und China haben nach zweitägigen Verhandlungen in Genf a, Sonntag eine überraschend schnelle Einigung im Handelskonflikt erzielt. Vertreter beider Regierungen einigten sich auf eine zunächst 90-tägige Aussetzung eines Großteils der gegenseitigen Strafzölle. In einer gemeinsamen Erklärung kündigten beide Seiten außerdem die Einrichtung eines dauerhaften bilateralen Dialogmechanismus an. Ziel sei es, strukturelle Probleme langfristig zu lösen und neue Eskalationen zu vermeiden.
US-Finanzminister Scott Bessent sprach von einem „produktiven“ Treffen, bei dem erstmals seit Monaten substanzielle Fortschritte erzielt worden seien. „Ich kann berichten, dass wir mit unseren chinesischen Partnern wichtige Schritte in Richtung einer stabileren Handelsbeziehung unternommen haben“, erklärte er. Auch der US-Handelsbeauftragte Jamieson Greer lobte den konstruktiven Verlauf der Gespräche: „Der schnelle Fortschritt zeigt, dass die Differenzen vielleicht geringer waren, als angenommen.“
Beiderseitige Zollaussetzung tritt Mitte Mai in Kraft
Im Zentrum der Einigung steht die beiderseitige Rücknahme von Strafzöllen, die im April 2025 verhängt worden waren. So setzen die USA zusätzliche Zölle in Höhe von 24 Prozentpunkten auf chinesische Waren für einen Zeitraum von 90 Tagen aus. Ein Basistarif von 10 Prozent bleibt zunächst bestehen. Im Gegenzug hebt China seine seit dem 4. April geltenden Strafzölle ebenfalls weitgehend auf, inklusive eines 34-prozentigen Sonderzolls auf US-Produkte.
Zudem werden beiderseits weitere Zusatzmaßnahmen aufgehoben, etwa nichttarifäre Handelsbarrieren, die China in den vergangenen Wochen eingeführt hatte. Auch die am 8. und 9. April von den USA erlassenen Strafzölle werden entfernt. Die wichtigsten vor April 2025 bestehenden Zölle – insbesondere solche aus dem Section-301- und Section-232-Rechtsrahmen – bleiben auf amerikanischer Seite allerdings in Kraft.
Die Maßnahmen treten laut Vereinbarung spätestens am 14. Mai 2025 in Kraft. Der Schritt gilt als Zeichen der Deeskalation, nachdem Präsident Trump Anfang April wegen des wachsenden Handelsdefizits mit China einen nationalen wirtschaftlichen Notstand ausgerufen und aggressive Zollmaßnahmen ergriffen hatte. Im Jahr 2024 belief sich das Handelsbilanzdefizit der USA gegenüber China auf rund 295 Milliarden US-Dollar (etwa 275 Milliarden Euro).
Neuer Verhandlungsmechanismus für wirtschaftliche Themen
Ein zentrales Element der Vereinbarung ist die Schaffung eines bilateralen Mechanismus zur kontinuierlichen Behandlung von Handels- und Wirtschaftsfragen. Die Gespräche sollen künftig regelmäßig stattfinden – abwechselnd in China, den USA oder auf neutralem Boden. China wird dabei von Vizepremier He Lifeng vertreten, die USA durch Finanzminister Bessent und Handelsbeauftragten Greer. Auch Arbeitsgruppen auf Fachebene sind vorgesehen, um konkrete Themen wie Marktzugang, Investitionsschutz oder Technologietransfer zu bearbeiten.
Diese institutionalisierte Gesprächsstruktur ist insofern bedeutsam, als frühere Handelsgespräche zwischen den beiden Wirtschaftsmächten häufig ins Stocken geraten oder politisch aufgeladen wurden. Nun wollen beide Seiten eine kontinuierlichere und weniger konfrontative Grundlage schaffen.
Fentanyl-Importe: Zusammenarbeit gegen illegale Lieferketten
Ein weiterer Aspekt der Genfer Vereinbarung betrifft den Drogenhandel. Die USA und China verpflichten sich zu gemeinsamen Maßnahmen gegen die illegale Ausfuhr von Fentanyl-Vorprodukten aus China in Richtung Nordamerika. Laut US-Regierung soll damit ein zentraler Bestandteil der Drogenkrise in den Griff bekommen werden.
Auch wenn Details hierzu noch ausstehen, deutet die gemeinsame Erklärung auf einen koordinierten Ansatz in der Strafverfolgung und Kontrolle chemischer Exporte hin. Washington hatte den Drogenhandel mit Fentanyl zuvor mehrfach als nationale Bedrohung eingestuft und mit handelspolitischen Maßnahmen verknüpft.
Weißes Haus spricht von historischem Erfolg
Die US-Regierung bewertet das Abkommen als „historisch“. In einem begleitenden Faktenblatt bezeichnete das Weiße Haus das Ergebnis als Beweis für Präsident Trumps Fähigkeit, „härteste Verhandlungen im Interesse amerikanischer Arbeiter und Unternehmen zu führen“.
Anders als bei früheren Vereinbarungen mit China bleibe diesmal ein Basistarif bestehen, um langfristig amerikanische Produktion und Lieferketten zu stärken. Das Abkommen mit China folgt nur wenige Tage auf einen ähnlichen Deal mit dem Vereinigten Königreich. Damit setzt die US-Regierung ihre Linie fort, wirtschaftspolitische Konflikte über eine Mischung aus Druck und Dialog zu lösen.
Ob aus dem Teildurchbruch ein langfristiger Kurswechsel wird, bleibt offen. Doch der Genfer Kompromiss markiert den ersten konkreten Schritt beider Seiten seit Monaten und könnte neue Impulse für die internationale Handelspolitik setzen.